Story

Atem holen für den nächsten Schritt

Zuletzt aktualisiert am 21. Dezember 2021 Erstmals publiziert am 30. August 2019

Sabile Keka erkrankte mit 36 Jahren an einem aggressiven Lungenkrebs und musste um ihr Leben bangen. Eine Immuntherapie brachte ihr neue Hoffnung und Lebenszeit.

«Angefangen hat es in den Ferien, im Sommer 2016. Abends und beim Aufstehen musste ich husten. Ich dachte mir nicht viel dabei. Es war heiss, im Hotelzimmer lief die Klimaanlage, vielleicht eine Erkältung.
Am Ferienende hatte ich aber richtige Hustenanfälle, und der Schleim war mit Blut vermischt. Deshalb meldete ich mich gleich nach meiner Rückkehr bei meinem Hausarzt. Er tippte erst auf eine Bronchitis; als die Behandlung nicht anschlug, vermutete er eine Lungenentzündung; als auch die nicht heilen wollte, überwies er mich an einen Pneumologen. Dieser erkannte auf den Röntgenbildern einen Tumor und machte eine Biopsie, um abzuklären, ob er gut- oder bösartig sei. Ich war beunruhigt, aber solange kein genauer Befund da war, hatte ich keine Angst. Ich war Mitte dreissig und immer gesund, hatte kaum einmal einen
Schnupfen. Ich rauchte, aber nicht viel. Was hatte ich zu befürchten?

Der Pneumologe überwies mich zur weiteren Abklärung ans USZ. Die Diagnose dort war ein Schock: schnell
wachsender Lungenkrebs in einem Lungenflügel. Zum Glück wurden keine Metastasen gefunden. In einer
mehrstündigen Operation wurden mir Dreiviertel des rechten Lungenflügels entfernt. Nach der Operation
konnte ich aufatmen, körperlich und psychisch. Ich dachte mir: «So, jetzt mache ich noch die Chemotherapie, und alles ist wieder gut.» Bei einer Kontrolle kurz darauf wurden aber Metastasen im Kopf gefunden. Ich musste auch bestrahlt werden.

Ich brauchte auch Normalität
Die Chemotherapie habe ich schlecht vertragen, war nach jedem Zyklus völlig geschwächt. Ich hatte Fieber
und Schüttelfrost, war abgemagert und fühlte mich elend. Alles war mir fremd, ich war teilnahmslos, wollte
nur noch schlafen. Dann kam der nächste Schlag: Auch in einer Niere hatten sich Metastasen gebildet; sie
musste sofort entfernt werden. Wieder eine grosse Operation. Das war etwa ein halbes Jahr, nachdem alles angefangen hatte. Zum ersten Mal kamen mir Gedanken an den Tod. Bis jetzt hatte es immer eine Behandlungsmöglichkeit gegeben. Aber wenn mir bald nichts mehr helfen könnte?

Ich habe immer nur wenig über meine Krankheit wissen wollen. Bis heute habe ich nichts darüber gelesen.
Ich wollte mich auf das Kommende konzentrieren, den nächsten Schritt schaffen, wollte mich nicht von irgendwelchen Berichten beeinflussen lassen. Das ist einfach meine Art. Meine Familie, mein Freundeskreis und mein Arbeitgeber haben mich immer unterstützt; das gab mir viel Kraft. Aber für sie war es oft nicht einfach, mit mir umzugehen. Sie waren voller Informationen und Sorge – ich wollte dagegen vor allem Normalität! Ich wollte auch einmal über Belangloses sprechen, auch über ihre Sorgen, nicht immer über mich.

In dieser Phase hat mir das USZ angeboten, im Rahmen einer Studie eine Immuntherapie zu versuchen.
Ich habe sofort zugesagt. Ein bisschen hoffte ich, dass mir das noch helfen könnte, aber ich wollte sie vor allem machen, um der Forschung und damit anderen zu helfen.

Es gibt auch schlechte Tage, aber es geht weiter
Vor der Immuntherapie durfte ich für zwei Wochen keine anderen Therapien machen. Das war hart. Denn
ich hatte extreme Schmerzen in den Beinen, auch dort gab es nun Metastasen. Ich wurde auf die Palliativstation verlegt, bekam Morphium. In dieser Zeit starb ein Patient, den ich in der Chemotherapie kennengelernt hatte. Wir hatten uns gegenseitig immer wieder aufgebaut. Sein Tod hat mich sehr getroffen. Aber zum ersten Mal nach langer Zeit fühlte ich wieder etwas. Der Tod war nun sehr präsent. Ich wollte kein Morphium mehr nehmen, nicht mehr abhängig sein, nur noch nach Hause. Ich hatte nie mit meinem Schicksal gehadert. Aber nun hatte ich einfach genug. Wenn ich schon sterben musste, dann jetzt, ohne weiter zu leiden. Ich wollte Kraft oder Sterben.

Schon bald nach Beginn der Immuntherapie fühlte ich mich besser. Ich vertrug sie gut, erholte mich zusehends. Als ich nach Monaten endlich wieder in meine Wohnung zurückkehren konnte, war ich glücklich.
Ich konnte wieder selber Auto fahren, meinen Haushalt machen, mit Freunden essen gehen! Seit ich wieder
richtig essen kann, mag ich sogar Schoggikuchen. Dabei mochte ich den früher gar nicht. Es gibt so viele kleine Dinge, die mich freuen, nichts ist mehr selbstverständlich.

Die Therapie wirkt bisher sehr gut. Die Metastasen im Kopf sind verschwunden, diejenigen in den Beinen
wachsen nicht mehr, mein Zustand ist stabil. Natürlich gibt es zwischendurch Tage, an denen ich in ein Loch
falle. Nach jeder Therapiephase wird ein CT gemacht, und natürlich habe ich immer Bammel vor dem Befund. Aber bis jetzt ist er jedes Mal gut ausgefallen; das baut mich wahnsinnig auf.

Ich weiss nicht, was kommt, aber solange ich keine Schmerzen habe, geht es mir gut. Irgendwann möchte
ich wieder arbeiten. Das ist ein fernes Ziel. Aber ich war schon immer geduldig, und durch die Krankheit bin ich noch geduldiger geworden.»