Story

Chronisch krank und mitten im Leben

Zuletzt aktualisiert am 23. September 2021 Erstmals publiziert am 20. Mai 2021

Ivan Petrusic ist Pflegefachmann, Student, Reisefan – und  Myasthenia Gravis-Betroffener.

«Das war es jetzt, jetzt hast du einen Schlaganfall», dachte Ivan Petrusic an jenem Morgen im Jahr 2010, als er sich plötzlich nicht mehr richtig bewegen konnte. Als Pflegefachmann kannte er die Symptome nur zu gut: Geschwächte Arme und Beine, verwaschenes Sprechen und eine veränderte Mimik – das musste ein Schlaganfall sein. Auch auf der Notfallstation des USZ ging man zuerst davon aus. Der Verdacht bestätigte sich jedoch nicht. Erst viele Untersuchungen später stellten die Fachspezialisten in der Augenklinik des USZ die richtige Diagnose. Zur Bestätigung spritzten sie Ivan Petrusic ein spezifisches Medikament und innert weniger Minuten waren sämtliche Beschwerden verschwunden. Damit stand fest: Ivan Petrusic hat Myasthenia Gravis.

Ein Anfang mit vielen Unsicherheiten

Myasthenia Gravis ist eine chronische neuromuskuläre Autoimmunerkrankung. Die Ãœbertragung von Nervenimpulsen auf die Muskelzellen ist gestört, was sich durch eine rasche Ermüdung der Skelettmuskulatur zeigt. Häufig erholt sich die Muskulatur schnell wieder. Die Krankheit kann sich aber auch in einer Myasthenie Krise äussern, bei der sich Betroffene nicht mehr bewegen können. Das geht bis hin zur Lähmung der Atemmuskulatur – eine lebensbedrohliche Situation. Mit rund sechs Personen auf 100’000 ist die Myasthenie eine seltene Erkrankung. Entsprechend wusste auch Ivan Petrusic trotz seinem medizinischen Wissen zu Beginn nichts über die Krankheit. «Ich recherchierte im Internet und sah dort die grosse Bandbreite, wie die Krankheit verlaufen kann. Die Folgeschäden und schweren Verläufe, die beschrieben waren, machten mir Angst», erinnert er sich an den Anfang seiner Krankheitsgeschichte.

Positive Einstellung als Ressource

Seit der Diagnose sind gut zehn Jahre vergangen. Ivan Petrusic ist immer noch in der Pflege tätig, hat gerade ein weiteres Studium begonnen und reist in seiner Freizeit gerne, was leider aktuell aufgrund der Pandemie nicht möglich ist. Er führt ein aktives Leben und es fällt auf, wie positiv seine Haltung ist. «Ich bin überzeugt, dass meine Einstellung Einfluss auf meine Myasthenie-Erkrankung hat. Deshalb nehme ich neben der schulmedizinischen Therapie auch verschiedene komplementärmedizinische Angebote in Anspruch. Und ich erhalte auch psychologische Unterstützung. Eine chronische Krankheit ist nicht nur körperlich herausfordernd, sondern auch seelisch. Dem sollte man Rechnung tragen», betont Ivan Petrusic.

Ein Krebsmedikament als Therapie

Alle sechs bis zwölf Monate erhält Ivan Petrusic eine Infusionstherapie. Es handelt sich dabei um ein Medikament, das eigentlich für Chemotherapien bei Blutkrebserkrankungen entwickelt wurde, aber unter anderem auch bei Rheuma wirkt. Dieses Medikament entfernt bestimmte Immunzellen aus dem Blut und man hat herausgefunden, dass dies einen positiven Einfluss auf den Erkrankungsverlauf der Myasthenie haben kann. Dass es bisher noch kein spezifischeres Medikament gegen die Krankheit gibt, liegt an deren Seltenheit. Seltene Krankheiten sind oftmals weniger gut erforscht und entsprechend ist eine gezielte Medikamentenentwicklung viel schwieriger.
Ein Medikament verabreicht zu bekommen, das das Immunsystem schwächt, heisst aber auch, dass Ivan Petrusic jeweils sämtliche unerwünschte Wirkungen des Medikaments mitmacht. Während zwei Tagen nach der Therapie ist er jeweils sehr müde und fühlt sich zittrig. «Das nehme ich aber gerne in Kauf, weil ich daneben keine anderen Medikamente nehmen muss. Das Medikament ermöglicht mir ein nahezu normales Leben. Die Muskelschwächen treten bei der Myasthenie in zyklischen Schüben auf. Mit der Infusionstherapie kommt das bei mir nur noch selten vor und die Schübe fallen weniger stark aus», präzisiert er.

Sich gemeinsam weiterentwickeln

Neben den verschiedenen Therapien ist für Ivan Petrusic vor allem der Austausch mit anderen Myasthenie-Betroffenen hilfreich. Um die zwölf Personen aus dem Raum Zürich treffen sich regelmässig in der Selbsthilfegruppe Myasthenia Gravis. «Die Ausprägungen der Myasthenie ist bei den Mitgliedern der Gruppe sehr unterschiedlich. Und trotzdem wissen alle, von was der andere jeweils spricht. So entsteht ein sehr vertrauensvoller Rahmen, in dem alle Themen angesprochen und diskutiert werden können» beschreibt Ivan Petrusic die Treffen und ergänzt schmunzelnd, «Allerdings ist das Durchschnittsalter relativ hoch. Ich bin der einzige Ausreisser nach unten. Ich wünsche mir, dass mehr jüngere Menschen mit Myasthenia Gravis auf unsere Gruppe aufmerksam werden und sich dieser anschliessen».

Forschung neuromuskuläre Erkrankungen und Neurogenetik des USZ

Selbsthilfegruppe Myasthenia Gravis Zürich