Story

«Früher gab es Dienstwein für die Spitalangestellten»

Zuletzt aktualisiert am 21. Dezember 2021 Erstmals publiziert am 10. September 2019

Lorenzo Käser, Leiter Ressort Lehre in der Direktion Forschung und Lehre, befasst sich in seiner Freizeit seit Jahren mit Persönlichkeiten der Spitalgeschichte und mit unterhaltsamen Anekdoten rund um das USZ. Anlässlich der Tage des Europäischen Denkmals führt er am 15. September kurze Führungen und eine Ausstellung zur Geschichte des Spitals durch.

Lorenzo Käser, welche Episode aus der Vergangenheit des USZ gefällt Ihnen am besten?

Bei meinen Recherchen stiess ich immer wieder auf Überraschendes. Das neue Kantonsspital von 1842 war zum Beispiel das erste Gebäude Zürichs, in welchem Aborte mit Wasserspülung eingebaut wurden. Zum Schmunzeln brachte mich auch das Spitalreglement aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Darin wurde festgehalten, dass die männlichen Angestellten täglich 15 Deziliter Dienstwein erhalten; Mitarbeiterinnen erhielten eine kleinere Ration. Diese Weine stammten unter anderem vom Rebberg am Schmelzberg, der sich auch auf dem heutigen Spitalareal befand. Die Patientinnen und Patienten erhielten zur Stärkung edlere Tropfen von den Rebbergen am See.

Wie wurde eigentlich in der Vergangenheit das Gelände genutzt, auf dem bald die erste Etappe der baulichen Gesamterneuerung gebaut wird?

Das ist eine spannende Geschichte. Ursprünglich war Fluntern ein Weinbauerndorf und alle Zürichberghänge voller Reben. Das heutige Spitalgelände gehörte seit Jahrhunderten dem ‹Spitalamt›. In den 1840ern wurde das damalige Kantonsspital auf der Fluntermer «Platte» gebaut. Die Ecke an der Gloriastrasse war einst der Spitalfriedhof, wo Patienten ohne Angehörige oder Obdachlose ihre letzte Ruhe fanden. 1924 wurde dort das langgestreckte Gebäude der Dermatologie erbaut. Ab 2022 entstehen dort die Spital-Neubauten von Christ & Gantenbein.

Von welchen Berühmtheiten, die am USZ tätig waren, spricht man heute noch?

Man erinnert sich natürlich an Persönlichkeiten, denen zu Ehren bestimmte Krankheiten, medizinische Errungenschaften oder Strassen benannt wurden. Heute kennt zum Beispiel jeder Chirurge die «Arterienklemme nach Krönlein», die der am damaligen Kantonsspital Zürich tätige Rudolf Ulrich Krönlein entwickelte. Oder nehmen Sie Otto Naegeli. Nach ihm ist einer der bedeutendsten medizinischen Forschungspreise der Schweiz benannt.

Und welche Frauen wurden so geehrt?

Die Uni Zürich war die erste Universität, die Frauen zum Studium zuliess. Daher studierten auch viele ausländische Frauen in Zürich, zum Beispiel Rosa Luxemburg. Ebenso wurden die ersten Ärztinnen hier in Zürich ausgebildet. Die Gründerin der «Pflegi», der Pflegerinnenschule, war die erste Schweizer Ärztin, Dr. med. Marie Heim-Vögtlin. Sie wurde mit einem Strassennamen in Zürich und einer Schweizer Briefmarke geehrt. Auch nach ihren Mitstreiterinnen Anna Heer und Caroline Farner wurden Strassen benannt.

Der irische Dichter James Joyce war mit dem USZ verbunden – inwiefern?

1918 verfasste er in einem Haus bei der Tramhaltestelle Haldenbach wesentliche Teile seines Jahrhundertromans «Ulysses». In diesem Haus wurden später Abteilungen des Kantonsspitals untergebracht. Joyce war wegen des ersten Weltkriegs als Flüchtling in die Schweiz gekommen, doch es gab noch einen anderen wichtigen Grund für seine Aufenthalte in Zürich: Er hatte ein schweres Augenleiden. Über Jahre war er in Behandlung beim damaligen Direktor der Zürcher Augenklinik, Prof. Alfred Vogt. Das Studentenfoyer vor unserem Hörsaal an der Gloriastrasse ist Joyce zu Ehren «Dick and Davy» benannt – nach zwei Medizinstudenten aus dem Roman «Ulysses».

Das 1842 erbaute Kantonsspital lag auf dem Gebiet des heutigen Spitalparks.
Heute ist davon nur noch die Alte Anatomie erhalten.

Wollen Sie mehr über die Geschichte(n) des USZ erfahren?
Anlässlich der Europäischen Tage des Denkmals führt Lorenzo Käser am Sonntag, 15. September 2019 zwischen 10.30 und 16.30 Uhr insgesamt 8 je 30-minütige Führungen zur Geschichte des USZ durch.

Treffpunkt: Gloriastrasse 19, Alte Anatomie, Etage A.
Führungen finden jeweils zur halben Stunde statt.

Lorenzo Käser ist Verfasser der Publikation «Illustrierte Geschichte des Züricher Cantonsspitals und der medizinischen Poliklinik. Nebst medizinischen, topographischen und kulturellen Nebenwirkungen». Print-Exemplare können Sie direkt bestellen bei  lorenzo.kaeser@usz.ch; Tel. 044 255 30 35.

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