Die Klinik für Kardiologie steht seit diesem Jahr unter neuer Führung. Wir haben uns mit Klinikdirektor Prof. Dr. med. Frank Ruschitzka und dem stellvertretenden Klinikdirektor Prof. Dr. med. Felix Tanner über den Wandel der Kardiologie und die Errungenschaften für die Patienten unterhalten.
Frank Ruschitzka, Felix Tanner, Sie beide sind seit rund zwanzig Jahren an der Klinik für Kardiologie tätig. Wie hat sich der Betrieb in dieser Zeit verändert?
Ruschitzka: Die Kardiologie hat noch nie so rasante Fortschritte gemacht wie heute. Multimodale Bildgebung, Beseitigung komplexer Rhythmusstörungen, Implantation moderner Schrittmacher, minimalinvasive Transkatheterklappeneingriffe – wir können heute viele unserer Patienten retten, die wir früher verloren hätten. Gleichzeitig sehen wir uns aber auch immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert.
Die da sind?
Tanner: Der Mensch wird bekanntlich immer älter. Dadurch steigt die Zahl der Mehrfacherkrankungen, der multimorbiden Patienten. Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen heute meist in einem Kontext zu weiteren Krankheitsbildern. Das erfordert koordiniertes Vorgehen, nicht nur innerhalb der Klinik, sondern auch darüber hinaus. Beispielsweise mit unseren Zuweisern im Kanton und ausserhalb des Kantons.
Ruschitzka: Ganz genau. Die Herausforderungen an die Kardiologie von morgen werden wir nur gemeinsam meistern: «Mikro-Kompetition, Makro-Kooperation!» Das neue Leitbild der Kardiologie ist das einer Medizin, die den Patienten wieder vermehrt in den Mittelpunkt stellt und unsere in Heart-Teams organisierten Spezialisten zum Patienten bringt. Diesen interdisziplinären Gedanken vorzuleben, wird für den zukünftigen Therapieerfolg entscheidend sein.
Sie haben eingangs den Fortschritt in Technik und Forschung erwähnt. Wo sehen Sie zurzeit die wichtigsten Errungenschaften im Kampf gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen?
Ruschitzka: Dank neuer interventioneller katheterbasierter Therapien können wir heute viele Herzerkrankungen, vom Herzinfarkt bis zu den Herzklappenfehlern, minimalinvasiv und damit schonender behandeln. Das ist insbesondere bei Patienten von Vorteil, die aufgrund ihres Alters oder von Begleiterkrankungen früher nicht mehr operiert werden konnten. Für diese Patientengruppe stellen diese neuen Verfahren eine lebensrettende Alternative dar.
Tanner: In der Diagnostik haben wir heute die Möglichkeit, Herzklappen mit grosser Präzision darzustellen, ohne Patienten operieren zu müssen. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn Klappen mittels eines nichtinvasiven Verfahrens repariert oder ersetzt werden. Solche neuen Verfahren haben viele Vorteile für den Patienten; insbesondere müssen sie nach dem Eingriff weniger lang im Spital bleiben. Die Methoden, die Technik, die Therapien ändern sich also, trotzdem bleibt ein Herz ein Herz. Ein Muskel, dem wir häufig kaum Beachtung schenken – bis er streikt.
Ruschitzka: Wir sollten lernen, mit unserem Herzen, diesem wundervollen Organ, respektvoller umzugehen. Sie müssen sich das einmal vor Augen führen: Das Herz schlägt im Normalfall täglich 100 000 Mal. Sollten sie 80 Jahre alt werden, sind das zeitlebens 3 Milliarden Schläge! Und wie oft im Alltag schenken Sie Ihrem Herzen die Aufmerksamkeit, die ihm eigentlich gebührt?
Und wie geht das am besten?
Tanner: Ich persönlich rauche nicht. Und ich bewege mich so viel wie möglich. Den Lift benütze ich nie. Auch nicht, wenn ich in den zehnten Stock hoch muss. Oben angekommen, bin ich dann zwar kurz ausser Atem, dafür weiss ich, dass ich meinem Herzen etwas Gutes getan habe.
Ruschitzka: Mit einer gesunden Lebensführung, ausreichend Bewegung, einer ausgewogenen Ernährung und einer konsequenten Behandlung der Risikofaktoren, wie Rauchen, Bluthochdruck und Diabetes, wäre ein Grossteil der kardiovaskulären Erkrankungen heute bereits vermeidbar. Unsere Forschungsanstrengungen – unter anderem in der personalisierten Medizin – werden uns hier in Zukunft ungeahnte Möglichkeiten eröffnen, die Prognose und vor allem auch die Lebensqualität unserer Patientinnen und Patienten mit Herz-Kreislauf- Krankheiten weiter zu verbessern. (Flavian Cajacob)
Prof. Dr. med. Frank Ruschitzka ist Facharzt für Kardiologie und Innere Medizin. Für seine Arbeit hat er in der Vergangenheit zahlreiche Preise erhalten. Frank Ruschitzka ist seit 1996 am USZ tätig. Er ist seit 2016 Präsident der Heart Failure Association (HFA) der europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC).
Prof. Dr. med. Felix Tanner ist Facharzt für Kardiologie und seit 1999 mit Unterbrüchen am USZ tätig. Er leitet seit 2010 die Abteilung Echokardiographie und ist Ausserordentlicher Professor für Kardiologie. Felix Tanner ist seit 2016 Präsident der Weiterbildungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie (SGK).