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«Jeder vierte Raucher ist betroffen»

Zuletzt aktualisiert am 20. Juli 2021 Erstmals publiziert am 17. Juli 2018

Die chronische obstruktive Lungenerkrankung (COPD) betrifft in der Schweiz ca. jede zehnte Person über 40 Jahren. Bei den Rauchern ist es gar jeder Vierte. Die Gefahr wird oft unterschätzt, weil sich die Erkrankung meist erst ab dem 50. Altersjahr bemerkbar macht. Wir haben mit PD Dr. Clarenbach über die Erkrankung, die Therapiemöglichkeiten am USZ und eine Studie, die neue Ansätze in der Patientenbetreuung untersucht, gesprochen.

Dr. Clarenbach, bei einer COPD leiden die Patienten unter Atemnot. Was ist der Unterschied zu einer asthmatischen Lungenerkrankung?
Asthma betrifft meist jüngere Leute und wird häufig durch Allergien begünstigt. Zwar ist auch beim Asthma die Lungenfunktion unter Umständen eingeschränkt. Aber das ist nicht dauerhaft der Fall. Sie kann sich auch wieder vollständig normalisieren. Unter Therapie verspüren die Betroffenen meist keine Einschränkung. Selbst Spitzensport ist bei Asthma möglich. Bei einer COPD ist das ganz anders: Sie betrifft vor allem ältere Menschen ab 50, wird über die Zeit stärker und schädigt die Lunge dauerhaft bis hin zur ständigen Abhängigkeit von einem Sauerstoffgerät.

Weshalb leiden die Patienten überhaupt unter Atemnot?
Vereinfacht gesagt, verengen sich die Atemwege und Lungengewebe wird im fortgeschrittenen Stadium zerstört. Diese Patienten können zwar gut einatmen, aber sie kriegen die Luft fast nicht mehr raus. Das Resultat davon ist eine Überblähung der Lunge, die sich als Belastungsluftnot bemerkbar macht. Oft wird dieses erste Zeichen verkannt und auf das fortschreitende Alter zurückgeführt. Leider kann dies jedoch bereits das Zeichen einer fortgeschrittenen COPD sein.

Betroffen sind in den westlichen Industrieländern vor allem Raucher. Gibt es keine Möglichkeit einer Vorsorgeuntersuchung, wie dies bei anderen Erkrankungen der Fall ist?
Natürlich ist es möglich, regelmässig die Lungenfunktion zu prüfen und so eine Einschränkung zu erkennen. Leider haben die Erfahrungen aber gezeigt, dass ein generelles Screening in einigen Fällen sogar kontraproduktiv sein kann. Raucher mit einer normalen Lungenfunktion fühlen sich in ihrem Verhalten unter Umständen bestätigt und rauchen munter weiter. Sie übersehen dabei, dass sich Beschwerden zum einen über Jahre entwickeln und dass zum anderen das Risiko an Krebs zu erkranken unvermindert hoch ist.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei einer COPD?
Eine Heilung ist bei der COPD nicht möglich. Die wichtigste therapeutische Massnahme ist der Rauchstopp. Im Allgemeinen kann man die Atemnot durch inhalative Medikamente deutlich mildern. Wir sehen bei uns in der Sprechstunde am USZ aber insbesondere auch die sehr schweren Fälle von COPD, die auf Medikamente kaum noch ansprechen. Bei diesen Patienten sind allenfalls interventionelle Massnahmen angezeigt.

Was ist konkret darunter zu verstehen?
Es gibt mehrere Varianten: Eine besteht darin, an einzelnen Stellen in der Lunge künstliche Ventile einzubauen. Dadurch wird die Überblähung der Lunge reduziert und der noch gesündere Teil der Lunge kann sich wieder ausbreiten. Die andere Variante besteht darin, bereits besonders beeinträchtigte Areale der Lunge vollständig chirurgisch zu entfernen. Welches die bessere Option ist, besprechen wir jeweils im Einzelfall mit den Kollegen der Thoraxchirurgie.

Sie sind zurzeit an einer Telemedizin-Studie unter der Leitung des Kantonsspital St. Gallen beteiligt. Worum geht es dabei?
Wir wollen untersuchen, ob wir die Lebensqualität von COPD Patienten verbessern können, indem wir sie engmaschig begleiten und dadurch rascher auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustands reagieren können. Konkret führen die Studienteilnehmenden ein elektronisches Tagebuch. Sie beantworten jeden Tag bestimmte Fragen. Bei den verantwortlichen Ärzten im Kantonsspital St. Gallen werden deutliche Abweichungen sofort angezeigt, worauf der Patient kontaktiert und das Vorgehen besprochen wird.

Was versprechen Sie sich davon?
Profitieren sollen in erster Linie die Patientinnen und Patienten. Durch den steten Kontakt sollen sie sich gut aufgehoben und betreut fühlen. Eine akute Atemnot kann sehr beängstigend sein. In dieser Situation ist es auch hilfreich, dass mit den Patienten bereits im Vorfeld abgemacht wird, wie sie reagieren sollen und z.B. Rezepte ausgestellt sind. Zugleich gehen wir davon aus, dass wir durch frühes Eingreifen einige Hospitalisationen vermeiden können. Das senkt letztlich auch die Kosten.

(Cindy Mäder)