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Erste Mikrobiom-Sprechstunde in der Schweiz am USZ

Zuletzt aktualisiert am 19. Juli 2023 Erstmals publiziert am 18. August 2022

Das USZ bietet die einzige Mikrobiom-Sprechstunde in der Schweiz an. Worum geht es in der Sprechstunde und an wen richtet sich das neue Angebot? Wir haben bei Prof. Michael Scharl nachgefragt. Der Spezialist für Magen-Darm-Erkrankungen forscht zum Mikrobiom und leitet die neue Mikrobiom-Sprechstunde am USZ.

Herr Scharl, die Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie am USZ bietet die erste Mikrobiom-Sprechstunde in der Schweiz an. Warum wurde eine Sprechstunde speziell dazu eingerichtet?

Das Mikrobiom ist seit einiger Zeit ein vieldiskutiertes Thema. In der Fachliteratur und in den Medien gibt es zahllose Berichte über Erkrankungen, die mit dem Mikrobiom zusammenhängen und die Rolle des Mikrobioms bei verschiedensten Erkrankungen. Auch die Möglichkeiten, das Mikrobiom gezielt bei speziellen Therapien zu nutzen, werden immer mehr. Es besteht deshalb ein grosser Bedarf an Beratung rund um das Mikrobiom.

 

An welche Patientinnen und Patienten richtet sich die Sprechstunde?

Grundsätzlich an alle Personen. Es gibt beispielsweise unzählige Angebote für Mikrobiom-Stuhluntersuchungen, die viele machen lassen. Es mangelt dann aber daran, die Befunde daraus richtig einzuordnen und daraus gegebenenfalls eine Therapie abzuleiten. Hier bieten wir eine strukturierte Beratung an.

Im Rahmen der Mikrobiom-Therapien wird auch immer wieder über die Stuhltransplantationen berichtet. Ist diese Therapie auch Teil der Sprechstunde?

Bei dieser Therapie wird der aufbereitete Stuhl von gesunden Personen auf Patienten übertragen. Das Verfahren wird bei Patienten mit antibiotika-refraktärer Clostridioides difficile Kolitis angewandt und ist dort sehr erfolgreich. Auch diese Patientengruppe beraten wir in der Mikrobiom-Sprechstunde. Zudem führen wir Studien mit dieser Art von Therapie durch, insbesondere bei Patienten mit immuntherapie-refraktären Malignomen.

 

Wie profitieren Patienten und zuweisende Ärztinnen und Ärzte von der Sprechstunde?

Bisher gibt es schweizweit keine spezielle Sprechstunde zu diesem Thema, aber grossen Beratungsbedarf. Und am USZ forschen wir intensiv zum Mikrobiom und haben Erfahrung mit den neuesten Therapien. Da lag es auf der Hand, dieses Wissen und Behandlungsangebot in Form einer Sprechstunde zugänglich zu machen. In der Sprechstunde beantworten wir alle Fragen zum Thema nach dem aktuellsten Stand der Medizin und Wissenschaft. Falls relevante Krankheiten im Zusammenhang mit dem Mikrobiom erkannt werden, kommt die interdisziplinäre Arbeitsweise am USZ zum Tragen: in der Diagnostik, der Beratung und in der Behandlung arbeiten die dafür notwendigen eng zusammen. Für die Patientinnen und Patienten folgt daraus eine schnellere Abklärung und der Zugang zu neuesten Behandlungsansätzen, z.B. im Rahmen von Studien.

Das intestinale Mikrobiom bezeichnet die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Magen-Darm-Trakt eines Menschen – früher sprach man von der «Darmflora». Das Mikrobiom kann das Immunsystem, den Stoffwechsel und das Hormonsystem beeinflussen. Bei zahlreichen Krankheiten geht man aufgrund von Studien davon aus, dass es einen Zusammenhang mit dem intestinalen Mikrobiom gibt, etwa bei entzündlichen Darmerkrankungen, bei Diabetes mellitus und Krebserkrankungen. Und das Mikrobiom ist veränderbar. Diesen Umstand macht sich die Medizin seit einiger Zeit zunutze, indem Krankheiten über die Veränderung des intestinalen Mikrobioms behandelt werden.

Michael Scharl, Prof. Dr. med.

Leitender Arzt, Stv. Klinikdirektor Forschung und Lehre, Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie

Tel. +41 44 255 85 48
Spezialgebiete: Immuntherapie-assoziierte Kolitis, Kolorektales Karzinom, Mikrobiom