Patientin im Herbstwald

Story

«Ich konzentriere mich darauf, optimistisch zu bleiben»

Zuletzt aktualisiert am 17. Oktober 2022 Erstmals publiziert am 12. Oktober 2022

Schwanger und Brustkrebs! Für Elaine S.* und ihren Mann brach eine Zeit mit vielen Ängsten und Sorgen an. Am Brustzentrum des USZ konnte sie noch während der Schwangerschaft eine auf sie angepasste Krebstherapie machen.

Als ich 2018 die Diagnose Brustkrebs bekam, war ich 35 Jahre alt und in der dreizehnten Woche schwanger mit unserem zweiten Kind. Ich hatte zwei Wochen zuvor bemerkt, dass sich meine Brust anders anfühlte als sonst, einen Knoten habe ich aber nicht gespürt. Ich schob das zuerst auf die Schwangerschaft. Ich war jung, lebte gesund, es gab keine familiäre Vorbelastung. An Krebs dachte ich nicht. Meine Ärztin überwies mich zur ersten Abklärung an ein Brustzentrum. Dort erhielt ich die Diagnose. Schwanger und Krebs! Das zog mir und meinem Mann die Füsse weg. Was würde mit dem Kind passieren? Konnte ich schwanger überhaupt eine Therapie machen? Was würde aus unserer Familie werden? War das das Ende? Wir waren doch gerade daran, so richtig ins Leben zu starten! Wir wollten uns auf unser zweites Kind freuen, nun war es ein Wechselbad der Gefühle. Auch für unser Umfeld war es schwierig. «Ich bin schwanger – und habe Krebs.» Ich konnte verstehen, dass Freunde, Kollegen und Verwandte damit überfordert waren.

Aus Angst und Fragen wird Zuversicht

Wir hatten so viele Fragen und Ängste. Weil ich schwanger war und die Ärzte in meinem damaligen Brustzentrum keine Erfahrung mit Krebstherapien in der Schwangerschaft hatten, überwies mich meine Ärztin an das Brustzentrum des USZ. Dort fühlte ich mich von Anfang an gut aufgehoben. Meine Ärztin dort konnte uns viele Ängste nehmen und hatte Antworten auf Fragen, die uns vorher niemand geben konnte. Sie konnte mir Therapiemöglichkeiten aufzeigen und erklärte uns, dass die Fortsetzung der Schwangerschaft trotz der Behandlung möglich war. Das gab uns viel Zuversicht. Ich erhielt eine auf mich abgestimmte Therapie. Dafür tauschten sich die Ärztinnen und Ärzte des Brustzentrums eng mit jenen der Klinik für Geburtshilfe und weiteren Spezialisten am USZ aus. So konnte ich die Antikörpertherapie erst nach der Schwangerschaft statt gleichzeitig mit der Chemotherapie machen, dadurch dauerte die ganze Therapie auch länger als üblich. Noch während der Schwangerschaft war aber eine Chemotherapie möglich. Nach der Geburt folgte dann die Brustoperation und die Rekonstruktion der Brust.

Unser Kind kam per Kaiserschnitt zur Welt. Es musste für wenige Tage zur Beobachtung in die Neonatologie, dann stand fest: wir konnten unser perfektes Baby mit nach Hause nehmen. Auf die folgende Antikörpertherapie sprach ich gut an. Der Krebs war weg. Durch die Schwangerschaft, die Therapie und mehrere Operationen innerhalb so kurzer Zeit war ich sehr erschöpft, aber wir blickten optimistisch in die Zukunft. Ich erholte mich nach und nach, gewann an Energie und kam in meinen Rhythmus zurück. Ich hatte wieder Zukunft.

Zwei Jahre später, 2021, war der Krebs zurück. Was für ein Schlag! War alles umsonst gewesen? Zu wissen, was wieder auf mich und auch auf unsere Familie zukommt, machte es mir schwerer, mich auf die zweite Chemotherapie einzulassen, als beim ersten Mal. Vor zwei Monaten habe ich die Therapie abgeschlossen und gehe nun regelmässig zur Kontrolle ans USZ. Ich konzentriere mich darauf, optimistisch zu bleiben und bin dankbar für jeden Tag. Eine Garantie auf ein sorgloses Leben gibt es aber natürlich nicht.

Eine schwierige Zeit für die ganze Familie

Während der Krankheit hatte ich nicht viel Zeit für mich. Arzt- und Bestrahlungstermine, die Versorgung der Kinder – es gab viel zu organisieren. Meine Schwiegereltern haben uns nach Möglichkeit entlastet, auch die Haushalthilfe der Spitex war extrem hilfreich. Die eigenen Grenzen erkennen und zu setzen, Hilfe anzunehmen, um sich Luft zu verschaffen, ist einer der wenigen Ratschläge, die ich anderen geben kann. Und dass jede und jeder Betroffene herausfinden muss, was ihm oder ihr guttut, ohne auf die Meinung von Aussenstehenden zu achten. Ich bin eine junge Frau, an Mode interessiert. Für mich war es wichtig und hilfreich, auch während der Krankheit gut auszusehen, mich einfach ganz normal zu fühlen. Dafür war der Austausch mit anderen Betroffenen für mich nicht zentral. Die Krankheit hatte schon alles übernommen. Die wenige Zeit, die ich für mich hatte, wollte ich mich mit anderen Themen beschäftigen. Ich habe Tag für Tag genommen. Gute und schlechte wechselten sich ab. Ich setzte mir kleine Tagesziele und lernte, mir weniger Druck zu machen. Auch als Familie sehen wir heute vieles entspannter.

Einen «richtigen» Zeitpunkt für eine Krebserkrankung gibt es nie, die Belastung war in dieser Zeit aber für mich und meinen Mann eine enorme Strapaze. Unser Leben stand insgesamt für zweieinhalb Jahre in jeder Hinsicht einfach auf «Pause». Weil ich durch meine Erkrankung Risikopatientin bin, war unser soziales Leben während der COVID-19-Pandemie völlig heruntergefahren. Wir waren total isoliert. Das war eine schwierige Zeit für uns als Familie. Manchmal hatte ich Schuldgefühle, weil sich alle Energie und Aufmerksamkeit auf mich konzentrierte. Ich bin durch die Krankheit empfindlicher geworden, und etwas ängstlicher. Auch mein Körper hat sich verändert. Ich bin noch nicht ganz darin angekommen. Ohne Schäden, ohne Schmerzen geht so eine Erkrankung nicht an einem vorbei.

 

*Name der Patientin geändert.

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