Kongenitales und juveniles Glaukom

Ein kongenitales Glaukom ist eine angeborene Erkrankung, die unbehandelt oder ungenügend behandelt zu einem unwiederbringlichen Schaden am Sehnerven bis hin zur Erblindung führt. Der Erkankungsbeginn liegt um den Zeitpunkt Geburt oder innerhalb der ersten Lebenswochen. Das juvenile Glaukom betrifft Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Die Ursachen sind noch nicht genau aufgeklärt, aber Gene scheinen eine wichtige Rolle zu spielen. Bekannt ist jedenfalls, dass der Abfluss des Kammerwassers gestört ist und dadurch der Augeninnendruck steigen kann. Lesen Sie alles über die Symptome, Diagnose und Behandlung eines kongenitalen und juvenilen Glaukoms.

Überblick: Was sind ein kongenitales und ein juveniles Glaukom?

Ein kongenitales Glaukom ist eine angeborene Erkrankung. Der Augeninnendruck kann erhöht sein. Die Augenerkrankung zeigt sich schon bei der Geburt oder innerhalb der ersten Lebenswochen. In der Mehrzahl der Fälle betrifft das Glaukom beide Augen, aber oft nicht gleich stark ausgeprägt. Typische Anzeichen für die Augenkrankheit sind Augentränen, Lidkrampf und Lichtscheu. Die Augen wirken vergrössert, war zum Namen Buphthalmie oder Buphthalmus (=Bullenauge) geführt hat. Weiterhin kann die Hornhaut trüb wirken. Das Glaukom selbst heisst auch Grüner Star.

Die Ursachen des kongenitalen Glaukoms sind noch nicht genau aufgeklärt. Vermutlich ist eine Fehlentwicklung des Abflusssystems im Auge am Ende Schwangerschaft und um die Geburt herum der Grund. Kann das Kammerwasser nicht ausreichend abfliessen, erhöht sich der Augeninnendruck bzw. das Auge wächst vermehrt. Dies schädigt den Sehnerven. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nehmen an, dass Gene am angeborenen Glaukom beteiligt sind. Denn in manchen Familien kommt es gehäuft vor. Ärztinnen und Ärzte müssen die Augenerkrankung möglichst rasch behandeln – in der Regel mit Hilfe einer Operation. Ohne Therapie vermindert sich das Sehvermögen der kleinen Patienten und Patientinnen – im schlimmsten Fall büssen sie ihr Augenlicht weiter ein und es droht die Erblindung.

Das juvenile Glaukom betrifft dagegen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Meist haben Patientinnen und Patienten zunächst keine Symptome und bemerken den erhöhten Augeninnendruck nicht. Oft deckt eine Routineuntersuchung die Augenerkrankung zufällig auf. Sie zeigt sich immer an beiden Augen, kann aber asymmetrisch ausgeprägt sein. Ohne Behandlung steigt der Augeninnendruck allmählich an und schädigt den Sehnerv unwiederbringlich. Die Sehkraft vermindert sich und Einschränkungen des Gesichtsfeldes bis hin zur Erblindung können auftreten.

Ärztinnen und Ärzte teilen das Glaukom – je nach Alter – so ein:

  • Kongenitales Glaukom: Zeigt sich bei der Geburt oder im ersten Lebensmonat.
  • Infantiles Glaukom: Entwickelt sich ab dem zweiten Lebensmonat bis zum zweiten Lebensjahr.
  • Juveniles Glaukom: Tritt ab dem zweiten Lebensjahr bis zum Erwachsenenalter in Erscheinung.

Kongenitales und juveniles Glaukom – Häufigkeit und Alter

Das kongenitale Glaukom zählt zu den seltenen Erkrankungen, ist aber das häufigste Glaukom im Kindesalter. Ärzte und Ärztinnen schätzen, dass ein Fall auf 10‘000 bis 18‘000 Geburten kommt. Das männliche Geschlecht ist häufiger betroffen als das weibliche (Verhältnis etwa 3:2). Bei 70 bis 80 Prozent der Patientinnen und Patienten sind beide Augen betroffen, oft aber in verschiedenem Ausmass. Das kongenitale Glaukom ist für zwei bis 15 Prozent der Erblindungen bei Kindern verantwortlich.

Auch das juvenile Glaukom kommt vergleichsweise selten vor. Meist tritt der erhöhte Augeninnendruck zwischen dem 10. und 35. Lebensjahr in Erscheinung. Im Schnitt sind die Patienten und Patientinnen bei der Diagnose 18 Jahre alt. Die Häufigkeit lässt sich ebenfalls nur schätzen: In Deutschland erkrankt laut der Gutenberg-Gesundheitsstudie (2017) ungefähr 1 von 44‘000 Personen daran. In den USA schätzen Experten die Zahlen auf 1 Fall von 50‘000. Vermutlich sind diese Zahlen bis zu einem gewissen Mass auch auf die Schweiz übertragbar.

Kongenitales und juveniles Glaukom: Ursachen

Die Ursachen des kongenitalen Glaukoms sind noch nicht ganz aufgeklärt. Wahrscheinlich sind am Ender der Schwangerschaft bzw. kurz nach der Geburt bestimmte Strukturen des Auges – der Kammerwinkel beziehungsweise das Trabekelmaschenwerk – nicht genügend ausgereift. In der Folge kann das Kammerwasser im Winkel zwischen der Iris (Regenbogenhaut) und der Hornhaut (Cornea) im Trabekelmaschenwerk nicht richtig abfliessen. Das Trabekelmaschenwerk ist ein lockeres Gewebe und dient als Hauptabfluss für das Kammerwasser des Auges. Unter dem Mikroskop sieht diese Struktur aus wie ein Schwamm.  Weil die Produktion des Kammerwassers aber trotzdem normal funktioniert, steigt der Augeninnendruck bei einem verminderten Abfluss an.

So entsteht der erhöhte Augeninnendruck

Der Ziliarkörper produziert das Kammerwasser ständig neu. Es liefert nämlich Nährstoffe für die Hornhaut und Linse. Wenn diese Flüssigkeit nicht genügend abfliessen kann, baut sich im Auge ein Überdruck auf, der sich auch auf den Glaskörper erstreckt. Dieser wird wiederum auf die Netzhaut gepresst und quetscht schliesslich die empfindlichen Nervenfasern des Sehnervs. Dies ist der Beginn des Glaukoms. Hält der Druck längere Zeit an, sind Schäden am Sehnerv unausweichlich. Sie lassen sich auch nicht mehr reparieren und es droht die Erblindung.

Die Ursachen für diese Abflussstörung des Kammerwassers können in den Genen liegen. Eltern können ihren Kindern die Veranlagung für das kongenitale Glaukom vererben. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben in betroffenen Familien bereits verschiedene veränderte (mutierte) Gene gefunden, die mit dem kongenitalen Glaukom in Verbindung stehen. Die Genmutationen betreffen zum Beispiel Gene namens CYP1B1, PITX2, PITX3, FOXC1, FOXE3, PAX6, LMX1B, MAF und MYOC. Bei vielen Kindern entsteht das Glaukom jedoch sporadisch, also vereinzelt. Sie haben das angeborene Glaukom nicht von ihren Eltern geerbt.

Juveniles Glaukom: Ursachen

Die Ursachen des juvenilen Glaukoms sind ähnlich wie bei der angeborenen Variante: Der Abfluss des Kammerwassers durch das Trabekelmaschenwerk in den Schlemm‘schen Kanal (den Abflusskanal) ist gestört. Allerdings tritt die Drucksteigerung im Auge erst später auf. Wahrscheinlich sind Kammerwinkel und Trabekelmaschenwerk besser ausgereift, sodass der erhöhte Augeninnendruck erst später auffällig wird. Beim infantilen Glaukom ist es wohl ähnlich. Weil das Abflusssystem teilweise ausgereift ist, kann der Augeninnendruck in den ersten Lebensjahren noch normal sein. Im Lauf der Kindheit nimmt der Druck dann langsam zu. Das juvenile Glaukom wird relativ oft vererbt. Ärzte und Ärztinnen haben Mutationen in den Genen CYP1B1 und MYOC nachgewiesen.

Symptome: Kongenitales und juveniles Glaukom

Die Symptome bei einem angeborenen Glaukom sind schwer zu erkennen, denn Neugeborene, Babys und kleine Kinder können ihre Beschwerden noch nicht mitteilen. Am wichtigsten ist es deshalb, dass Eltern besonders aufmerksam ihrem Nachwuchs gegenüber sind und bei Auffälligkeiten sofort die Ärztin oder den Arzt um Rat fragen. Diese Symptome können auf ein kongenitales Glaukom hindeuten:

  • Ihr Kind ist unruhig, quengelig, greift sich mit den Händchen immer wieder an die Augen und reibt sie, es jammert oder schreit – ein erhöhter Augeninndruck kann schmerzhaft sein.
  • Ihr Kind hat ungewöhnlich grosse Augen – dies ist die Folge des erhöhten Augeninnendrucks.
  • Lichtscheu (Photophobie) – Ihr Baby vermeidet es, ins Licht zu blicken.
  • Tränende Augen/Tränenträufeln (Epiphora) – die Augen erscheinen rot und wässrig.
  • Lidkrampf (Blepharospasmus) – Ihr Baby schliesst die Augenlider oft krampfartig.

Die Symptome betreffen in der Regel beide Augen, aber meist nicht im gleichen Ausmass. Kinder über drei Jahre mit einem infantilen Glaukom entwickeln oft eine Kurzsichtigkeit (Myopie), die weiter fortschreitet. Ohne Behandlung können die Kinder erblinden, weil der Sehnerv immer weiter Schaden nimmt.

Bei einem juvenilen Glaukom treten zunächst meist keine Symptome auf. Oft entdecken Ärztinnen und Ärzte den erhöhten Augeninnendruck zufällig im Rahmen einer Routineuntersuchung. Wenn das juvenile Glaukom voranschreitet, vermindert sich die Sehkraft meist erheblich. Patienten und Patientinnen erleben zudem Einschränkungen ihres Gesichtsfeldes. Sie können zwar Dinge und Personen im Zentrum ihres Gesichtsfeldes noch gut wahrnehmen, aber keine Objekte, die weiter aussen liegen. Die räumliche Wahrnehmung ist damit eingeschränkt. Dies kann sich zum Beispiel beim Treppensteigen oder im Strassenverkehr bemerkbar machen.

Kongenitales und juveniles Glaukom: Diagnose bei uns

Das angeborene Glaukom ist sehr selten. Dennoch können Ärztinnen und Ärzte die Diagnose meist rasch stellen. Eine frühe Diagnose und prompte Behandlung ist bei dieser Augenerkrankung sehr wichtig. Denn bei einer Schädigung des Sehnervs können Kinder erblinden.

Wichtig für die Diagnose sind Anzeichen und Symptome, die auf ein angeborenes Glaukom hindeuten. Eltern können hierbei Auskunft geben, aber Ärzte und Ärztinnen beobachten und untersuchen das Kind ebenfalls sehr genau. Warnsignale können zum Beispiel zu grosse und tränende Augen, Lichtscheu und Augenkneifen sein.

Die Untersuchung der Augen ist bei Babys und kleinen Kindern schwieriger als bei Erwachsenen. Bei einem Verdacht auf ein kongenitales Glaukom führen Ärztinnen und Ärzte die Untersuchungen daher oft unter Narkose durch. So können sie den Augendruck ohne Augenkneifen bestimmen und sämtliche Abschnitte des Auges auf Veränderungen untersuchen.

Die wichtigsten Diagnosemethoden sind:

  • Messung des Hornhautdurchmessers (vertikal und horizontal)
  • Pachymetrie: Messung der Hornhautdicke
  • Tonometrie: eine Messung des Augeninnendrucks, die bei Babys und kleinen Kinder jedoch fehleranfällig sein kann. Das gilt sowohl für wache als auch narkotisierte Kinder. Eine Möglichkeit bei wachen Kindern ist die sogenannte Rebound-Tonometrie, die nur von kurzer Dauer ist und ohne betäubende Augentropfen auskommt. Es gibt noch weitere Verfahren der Tonometrie, etwa die Applanationstonometrie gleich zu Beginn einer Narkose.
  • Augenspiegelung (Ophthalmoskopie, Fundoskopie): Ärztinnen und Ärzte untersuchen die Augen mit einem speziellen Instrument, dem Ophthalmoskop (eine Art Mikroskop mit Lichtquelle). Das Auge wird stark vergrössert und Augenärzte sowie Augenärztinnen können sämtliche Strukturen und Veränderungen gut erkennen. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Sehnervenkopf (Papille).
  • Ultraschalluntersuchung (Sonografie): Dabei messen Ärzte und Ärztinnen die Länge der Augäpfel. Der Ultraschall eignet sich sowohl zur Diagnose als auch für die Nachbeobachtung.
  • Gonioskopie: Mit dieser Methode lässt sich der Kammerwinkel untersuchen. Zum Einsatz kommt ein spezielles Kontaktglas, das Gonioskop. Je nach Untersuchungsmethode – direkt oder indirekt – gibt es verschiedene Arten von Kontaktgläsern.
  • Gesichtsfeldmessung (Perimetrie): bei älteren Kindern

Daneben kann eine Pränataldiagnostik in Familien mit erhöhtem Risiko für ein angebohrenes Glaukom sinnvoll sein. Ärztinnen und Ärzte ermitteln hier das Krankheitsrisiko, wenn in Familien Mutationen bekannt sind, die zum angeborenen Glaukom führen. Auch die genetische Beratung ist eine Möglichkeit, um das Erkrankungsrisiko besser abzuschätzen. Zu beachten ist jedoch, dass die Gene nicht bei allen Betroffenen eine Rolle spielen. Die Krankheitsfälle können auch sporadisch auftreten.

Bei der Diagnostik des juvenilen Glaukoms kommen ähnliche Verfahren wie beim angeborenen Glaukom zum Einsatz. Sie sind jedoch oft einfacher durchführbar als bei Babys und kleinen Kindern. Zudem führen Ärzte und Ärztinnen einen Sehtest durch, der Hinweise auf eine Kurzsichtigkeit liefert. Auch ein eingeschränktes Gesichtsfeld lässt sich oft bereits ab dem Schulalter nachweisen.

Daneben kann eine genetische Beratung hilfreich sein. Denn das juvenile Glaukom ist in vielen Fällen vererbt. So können Humangenetiker und Hautgenetikerinnen das Erkrankungsrisiko für Familienmitglieder bestimmen.

Kongenitales und juveniles Glaukom: Vorbeugen, Früherkennung, Prognose

Die Ursachen des kongenitalen Glaukoms sind noch nicht genau bekannt. In vielen Fällen entwickelt sich die Augenerkrankung sporadisch, manchmal ist sie erblich bedingt. Auf die Gene haben Sie allerdings keinen Einfluss. Einem angeborenen Glaukom können Sie daher auch nicht vorbeugen. Ähnliches gilt auch für das juvenile Glaukom.

Wichtig für die Früherkennung ist jedoch, dass Sie schon bei den ersten Symptomen eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen. Sie oder er kann der Ursache der Augenprobleme auf den Grund gehen. Auf diese Weise können Sie verhindern, dass der Augeninnendruck steigt, langfristig zu hoch ist und schleichend den Sehnerv schädigt. Wenn Ärztinnen und Ärzte die Diagnose rechtzeitig stellen und das kongenitale Glaukom rechtzeitig behandeln, können Sie einer Erblindung vorbeugen.

Für Familien, in denen diese Art des Glaukoms vorkommt, ist die genetische Diagnostik und Beratung eine Möglichkeit. So lässt sich das Krankheitsrisiko besser bestimmen.

Verlauf und Prognose beim kongenitalen und juvenilen Glaukom

Der Verlauf und die Prognose bei einem kongenitalen Glaukom lassen sich nicht allgemein vorhersagen, sondern sind individuell verschieden. Beide hängen entscheidend davon ab, zu welchem Zeitpunkt Ärztinnen und Ärzte die Augenerkrankung feststellen und wann sie das Glaukom behandeln. Je früher die Therapie beginnt, desto günstiger ist auch die Prognose. Dann hat der Sehnerv noch keinen Schaden genommen, das Sehvermögen bleibt erhalten und eine Erblindung lässt sich so oft vermeiden. Die meisten Patientinnen und Patienten, deren Glaukom in der Kindheit erfolgreich behandelt wurde, haben in ihrem weiteren Leben einen guten Augeninnendruck, stabilen Sehnerv und keine Gesichtsfeldeinschränkungen.

Beim juvenilen Glaukom ist die Prognose günstiger – vorausgesetzt, Ärzte und Ärztinnen stellen die Diagnose rasch und behandeln die Augenkrankheit rechtzeitig.

Kongenitales und juveniles Glaukom: Behandlung

Die Behandlung des kongenitalen Glaukoms besteht aus einer Operation. Medikamente, die den Augeninnendruck senken, wirken meist nicht ausreichend und auch nicht dauerhaft. Der chirurgische Eingriff sollte möglichst zeitnah nach der Diagnose erfolgen, um Schäden am Auge und Sehnerv zu verhindern. Das gilt besonders, wenn die Augenerkrankung schwer ausgeprägt und der Augendruck sehr hoch ist. Es gibt verschiedene Operationstechniken. Ziel aller OP-Methoden ist es, den Abfluss des Kammerwassers zu verbessern und so den Augeninnendruck zu senken.