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Neue Therapien bei Glioblastomen

Zuletzt aktualisiert am 03. April 2024 Erstmals publiziert am 16. Februar 2024

Für den häufigsten und bösartigsten aller Hirntumore gibt es bislang keine wirklich effiziente Behandlung. Die Klinik für Neurologie forscht intensiv auf dem Gebiet. Nun liegen erste, vielversprechende Studienergebnisse vor.

Text: Helga Kessler

Die durchschnittliche Überlebenszeit nach der Diagnose Glioblastom liegt bei weniger als zwei Jahren – trotz intensiver Behandlung. Kaum eine andere Krebserkrankung führt derart schnell zum Tod. Der häufigste und zugleich bösartigste Hirntumor wächst besonders aggressiv und breitet sich schnell aus. Je nachdem, wo sich der Krebs angesiedelt hat, treten unterschiedliche Symptome auf, beispielsweise epileptische Anfälle, aber auch Kopfschmerzen, Sprach- oder Sehstörungen oder Veränderungen der Persönlichkeit. Nach der Diagnose wird der Tumor schnellstmöglich chirurgisch entfernt. Darauf folgen Bestrahlung und Chemotherapie. Mit der Standardtherapie lässt sich die Krebserkrankung zwar vorübergehend aufhalten, aber nicht dauerhaft stoppen. «Leider kommt es bei Glioblastomen fast immer zu Rezidiven», sagt Tobias Weiss, Oberarzt in der Klinik für Neurologie. Doch nun gibt es Forschungsergebnisse, die hoffen lassen.

Neu entwickelte Immuntherapie

In einer ersten klinischen Studie mit Glioblastom-Erkrankten mit Rezidiv konnten Tobias Weiss und Kollegen zeigen, dass eine neu entwickelte Immuntherapie einen lokalen Effekt am Tumor hat. Bei 8 von 15 Behandelten kam es im Beobachtungszeitraum zu keinem weiteren Wachstum, in vier Fällen schrumpfte der Tumor sogar. Nach der Standardtherapie hatten die Betroffenen während neun Monaten alle sechs Wochen eine Chemotherapie mit dem Zytostatikum Lomustin erhalten und alle drei Wochen den Wirkstoff L19TNF. TNF steht für Tumornekrosefaktor, einen natürlich vorkommenden Botenstoff, der das Immunsystem aktiviert und unter anderem auf Krebszellen ansetzt. Bei Glioblastomen funktioniert die Immunabwehr allerdings in der Regel nicht, weil der Tumor das Umgebungsmilieu verändert.

Der Tumor wird ausgetrickst

Hier kommt L19 ins Spiel: Der Antikörper dockt spezifisch an den Blutzellen von Glioblastomen an und sorgt dafür, dass sich TNF in hohen Dosen lokal im Tumor anreichert. Die daraufhin einwandernden Immunzellen attackieren den Krebsherd. Weil die durch TNF angeregten T-Zellen Teil der erlernten Immunantwort sind, besteht die Hoffnung, dass die Wirkung der Behandlung langfristig anhält. Tatsächlich war dies im Tierversuch der Fall. Nach rekordverdächtigen lediglich vier Jahren folgte bereits die klinische Studie. «Wir sind begeistert und freuen uns sehr für die Glioblastom-Patientinnen und -Patienten», sagt Tobias Weiss. Unterdessen wurde die Studie auf mehrere Zentren in Europa ausgeweitet und soll letztlich 170 Betroffene einschliessen. Die Ergebnisse werden in etwa drei Jahren erwartet.

Drei bewährte Signalhemmer

Parallel dazu wird an anderen innovativen Therapien geforscht. Seit 2023 läuft eine Studie an sieben Schweizer Zentrumsspitälern, darunter das USZ, mit neu diagnostizierten Glioblastom-Patientinnen und -Patienten. Neben der Standardtherapie erhalten sie drei Medikamente, die den Nervensignalbotenstoff Glutamat bremsen sollen. Glutamat regt das Wachstum von Glioblastomzellen an und fördert deren Ausbreitung im Gehirn. «Die drei Medikamente sind jeweils für andere Indikationen zugelassen und greifen an verschiedenen Stellen im Glutamatsignalweg an», sagt Hans-Georg Wirsching, Oberarzt in der Klinik für Neurologie und Leiter der Studie. Weil für die Behandlung bewährte, in den Nebenwirkungen bekannte und günstig verfügbare Medikamente eingesetzt werden, fördert der Schweizerische Nationalfonds diese Forschungsarbeit. Wie wirksam die Therapie ist, soll sich ebenfalls in spätestens drei Jahren zeigen. Erforscht wird zudem eine Immuntherapie mit umprogrammierten CAR-T-Zellen, die etwa bei Leukämien erfolgreich ist.

Frühe Diagnostik und Verlaufskontrolle

In der Schweiz erkranken jährlich geschätzt 670 Menschen neu an einem Glioblastom. Die Diagnose erfolgt bislang über eine neurologische Untersuchung und bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomografie, die Ort, Grösse und Ausdehnung des Tumors sichtbar macht. Für die definitive Diagnose ist eine Gewebeprobe erforderlich, die entweder im Rahmen einer Operation oder über eine Biopsie gewonnen wird. Derzeit erforscht wird ein Verfahren, das sich Liquid Biopsy nennt und für die Betroffenen schonender wäre. Dabei wird Blutplasma entnommen und auf Biomarker untersucht, die spezifisch von Glioblastomzellen ausgeschüttet werden. Tobias Weiss hofft, damit eine Methode für eine frühe Diagnose zu finden: «Über die Konzentration des Biomarkers könnten wir prüfen, ob eine neue Glioblastom- Therapie anschlägt oder nicht.»

Zuständige Fachperson

Tobias Weiss, Dr. med. Dr. sc. nat.

Oberarzt, Klinik für Neurologie

Tel. +41 44 255 55 11
Spezialgebiete: Neuroonkologie

Hans-Georg Wirsching, PD Dr. med.

Oberarzt, Klinik für Neurologie

Tel. +41 44 255 55 11
Spezialgebiete: Neuro-Onkologie, Epileptologie, Akutneurologie