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COVID-19: das Immunsystem im Stresstest

Zuletzt aktualisiert am 02. August 2021 Erstmals publiziert am 26. August 2020

Die Auswirkungen des Coronavirus SARS-CoV-2 auf das Immunsystem können verheerend sein. Je früher das Virus nachgewiesen wird, desto grösser sind die Chancen, eine Überreaktion des Immunsystems zu verhindern.

Zuerst die gute Nachricht: Die meisten Menschen erkranken nicht allzu schwer durch SARS-CoV-2. In acht von zehn Fällen entwickeln die Infizierten lediglich leichte Symptome, das Coronavirus allerdings können sie dennoch übertragen. Die Symptome ähneln jenen einer gewöhnlichen Grippe – sie verschwinden in der Regel nach sechs bis zehn Tagen wieder. Alles halb so schlimm also?

Virus früh ausmachen

Nein, es gibt eben auch die schlechte Nachricht. Jene der schweren, lebensbedrohlichen Verläufe. Sie machen gemäss Annelies Zinkernagel zwischen 5 und 20 Prozent der Fälle aus. «Problematisch wird es konkret, wenn das Virus den Weg von den oberen Atemwegen in die Lungen und von dort in den übrigen Körper findet», sagt die Direktorin der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am USZ. Dabei kann es zu einer unkontrollierten Entzündungsreaktion des Immunsystems kommen, dem so genannten ‹Zytokinsturm›, der letztendlich mitverantwortlich ist für die kritischen Zustände und Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19. «Da wir nach wie vor keine spezifische Therapie gegen SARS-CoV-2 haben, ist es umso wichtiger, das Virus bei angesteckten Menschen so rasch wie möglich nachzuweisen, damit es sich nicht weiterverbreiten kann», so Annelies Zinkernagel.

Die Schwere der COVID-19-Erkrankung wird einerseits durch das SARSCoV-2-Virus selber bestimmt, andererseits liegt das Problem häufig auch beim Immunsystem. Dieses kann angesichts der Bedrohung und Belastung zur Überreaktion neigen. Schützende und aggressive Prozesse geraten in der Folge aus dem Gleichgewicht und bringen das  menschliche Betriebssystem in Schieflage – bis hin zum Kollaps. Doch weshalb geschieht dies im Zusammenhang mit COVID-19 in solch gravierendem Ausmass, während andere Viren höchstens einen Schnupfen verursachen? «Genau das ist eines der grossen Rätsel, vor die uns COVID-19 derzeit stellt», bemerkt Annelies Zinkernagel. Typisch für das Virus SARS-CoV-2 sei sicherlich, dass es praktisch sämtliche Organe schädigen könne. Als Einfallstor dient dem Virus dabei das Enzym ACE2, das auf der Zelloberfläche angesiedelt ist, den Blutdruck reguliert und an vielen Stellen im Körper zu finden ist.

Erfolgversprechendes Medikament

Die Entwicklung neuer Impfstoffe und Medikamente im Kampf gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 läuft auf Hochtouren. Fast täglich erscheinen Studien, die Hoffnung verheissen. Dennoch wird es Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern, bis belastbare Resultate vorliegen. Deshalb setzen Forschung und Praxis momentan auf Altbekanntes, auf Arzneimittel, die schon länger in Entwicklung oder bereits gegen andere Krankheiten zugelassen sind. Grosse Hoffnungen ruhen auf Remdesivir, das ursprünglich gegen Ebola entwickelt worden ist. Der Wirkstoff schränkt einfach gesagt die Virusvermehrung ein. «Wir haben Remdesivir am USZ bei bestimmten stationären COVID-19-Patienten angewendet und positive Erfahrungen damit gemacht», erläutert Annelies Zinkernagel.

Dennoch gibt es noch keine Entwarnung. Bis ein zuverlässiger Impfstoff gegen COVID-19 gefunden ist, gilt es selbstredend, die allgemeinen Hygienevorschriften weiterhin konsequent einzuhalten. Das heisst: Maske tragen, Hände gut reinigen oder desinfizieren und Abstand halten.