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Sichere Versorgung trotz Pandemie: Agile Logistik am USZ

Zuletzt aktualisiert am 09. Dezember 2021 Erstmals publiziert am 13. Juli 2020

Die Berichte und Bilder gingen um die Welt: Pflegepersonal, das selbst hergestellte Schutzkleidung trägt und davon spricht, dieselbe Maske tagelang tragen zu müssen. Weil es zu wenig Schutzmaterial hat. Weil die Bestände innert kürzester Zeit aufgebraucht waren.

In der Schweiz haben wir zum Glück keine derartigen Bilder gesehen. Ausverkauft war aber dennoch nicht nur das Toilettenpapier in den Supermärkten. In den Spitälern stellte unter anderem der massiv steigende Bedarf an Masken und Desinfektionsmitteln den Einkauf und die Logistik vor grosse Herausforderungen.

Versorgungsbarometer als Steuerungstool

Welche Artikel werden wie oft und von wem verwendet? Wie sehen die Bestände aus? Für wie lange reicht der Vorrat noch? Schon vor der Corona-Krise hatte sich eine Gruppe aus Spezialisten aus Einkauf, ICT und Logistik unter Leitung von Florentina Pichler mit genau diesen Fragestellungen befasst und mithilfe von selbstlernenden Algorithmen ein Prognosetool entwickelt.

Dieses «Versorgungsbarometer» wurde zu einem wichtigen Steuerungstool und einer Entscheidungshilfe, für das logistische Lagezentrum zum einen, für die COVID-19-Taskforce USZ zum andern. Denn damit war es möglich, jederzeit rasch die kritischen und superkritischen Artikel zu erkennen. «Kritische Artikel waren nicht immer die offensichtlichen», erzählt Christian Schläpfer, Leiter des logistischen Lagezentrums COVID-19. «Wir hatten zum Beispiel immer genug Händedesinfektionsmittel. Knapp wurden aber schon bald die kleineren Standardgebinde und insbesondere die Handpumpen.» Als superkritisch gelten Artikel, die für die Behandlung von COVID-19-Intensivpatienten eingesetzt werden und sehr limitiert verfügbar waren.

Mit Improvisation und Flexibilität zum Ziel

Was normalerweise Wegwerfmaterial ist, wurde damit plötzlich zum raren und gefragten Gut. Deshalb wurde ein Sammelprozess aufgegleist, um leere Flaschen und Handpumpen wieder einzusammeln und aufzubereiten. «Ich war beeindruckt, wie rasch sich das eingespielt hat. Die Mitarbeitenden in Pflege, Reinigung, Logistik und in der Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte (AEMP) haben dafür super zusammengearbeitet», zeigt sich Christian Schläpfer zufrieden.

Bei den Schutzbrillen, um ein anderes Beispiel zu nennen, waren zwar immer genügend Brillengläser vorhanden, die Brillenbügel jedoch drohten auszugehen. «Wir mussten möglichst rasch eine Lösung finden und improvisieren.» Da eine Beschaffung zu diesem Zeitpunkt nicht möglich war, wurden in Zusammenarbeit mit HelpfulETH, die Brillenbügel im 3D-Druckverfahren selbst hergestellt.

Ähnliches galt schliesslich auch für die SARS-CoV-2-Tests: Zwar waren die Testkapazitäten in den Laboratorien vorhanden, es fehlte aber plötzlich an Testsets für die Abstriche. Also wurde ein eigenes Set entwickelt: Labortaschen gab es genug, die Klinik für Dermatologie produzierte das passende Viren-Transport-Medium und Abstrichstäbchen mussten dazugepackt werden. Ganze 8000 Sets wurden so von Hand zusammengestellt und durch den Kurierdienst verteilt.

Wertvolle Unterstützung durch den Zivilschutz

Zum Glück konnte der Betrieb auf die Unterstützung durch Angehörige des Zivilschutzes zurückgreifen. «Wir haben sehr früh erkannt, dass unsere eigenen personellen Mittel nicht ausreichen würden und haben einen Antrag um Unterstützung durch den Zivilschutz eingereicht», erläutert Christian Schläpfer. Bis zu 30 Personen leisteten gleichzeitig in der Logistik am USZ Dienst. Eingesetzt wurden sie an den verschiedensten Orten: Beim Abpacken der genannten Abstrichsets, bei der Materialverteilung auf die Abteilungen, bei der Aufbereitung der Desinfektionsmittelbehälter, im Kurierdienst und im Zentrallager. «Ein Riesenkompliment an die Zivilschutzleistenden, sie waren eine grosse Hilfe, haben unkompliziert und engagiert zugepackt.» Gefreut haben Christian Schläpfer aber auch die positiven Rückmeldungen der eingesetzten Personen. Bei vielen war es der erste «Ernst-Einsatz». Das Gefühl, wirklich etwas beizutragen, war für viele eine grosse Motivation. Auf das gemeinsam Geschaffte ist man auch im Bereich «Supply Chain Management» von Alexander Soland zu Recht stolz: Eine funktionierende, schlagkräftige und agile Logistik hat sich als Rückgrat der Krisenbewältigung erwiesen.

Pandemie-Logistik in Zahlen

Der vielfach erhöhte Bedarf führte zu Materialknappheit weltweit. Auch am USZ stiegen die Verbrauchszahlen für Schutzmaterial und Desinfektionsmittel in der Pandemiezeit enorm an:

​Normalbedarf/Tag
(Durchschnitt 2019)
​Pandemiebedarf/Tag
(Höchstwert)
FFP-Masken​
​123 Stk.
​670 Stk.
​Chirurgische Masken
​3’000 Stk.
16’500 Stk​
​Schutzbrillen
30 Stk.​
840 Stk.​
​Händedesinfektionsmittel
104 Liter​ 302 Liter​