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Gute Chancen für die Heilung

Zuletzt aktualisiert am 22. März 2023 Erstmals publiziert am 19. April 2022

Zeitpunkt der Diagnose, Lage des Tumors und Stadium der Erkrankung haben Einfluss auf die Behandlung von Darmkrebs. Fast immer wird operiert, die molekulare Pathologie liefert Ansatzpunkte für personalisierte Medikamente.

Text: Helga Kessler

«Wenn wir den Tumor in einem frühen Stadium entdecken, können wir Darmkrebs fast immer heilen», sagt Viszeralchirurg Matthias Turina. Heilung bedeutet, dass der Krebs nicht zurückkehrt. Generell seien die Überlebenschancen bei Darmkrebs gut. Eine Operation ist jedoch fast immer nötig. Wenn möglich entfernen die USZ-Chirurgen Tumor und befallene Lymphknoten minimalinvasiv statt mit einer offenen Operation. Technisch besonders herausfordernd sind Eingriffe im unteren kleinen Becken, wo Enddarm, Blase und Sexualorgane eng nebeneinander liegen. Dann «entscheiden Millimeter über den Erfolg der Operation», sagt Matthias Turina.

Der Roboter operiert präziser

Bei Krebs im Enddarm – dem häufigsten Ort von Darmtumoren – setzt der Spezialist deshalb gerne den Operationsroboter Da Vinci ein: «Der Roboter sieht mehr, und er kommt auch besser hin als wir mit den Händen.» Sowohl bei Enddarm- als auch bei Dickdarmkrebs legen die Chirurgen oft einen künstlichen Darmausgang, ein Stoma, damit die Wunde nicht mit Stuhl verunreinigt wird und schneller heilt. Nach einigen Wochen kann das Stoma mit Ausnahme weniger Fälle, wo der Tumor sehr nahe am Anus lag, wieder entfernt werden. «Wir versuchen, die Rate an Stomata so tief wie möglich zu halten», sagt Matthias Turina. Er weiss, dass die meisten Patienten mit Darmkrebs Angst vor einem künstlichen Darmausgang haben.

Stomaberatung bereits vor Operation

«Es ist sehr wichtig, dass die Patientinnen und Patienten wissen, was auf sie zukommt, und sich psychologisch vorbereiten können», erklärt Catherine Bürgi, Pflegeexpertin im Team der Stoma- und Kontinenzberatung. Das erste Gespräch erfolgt bereits vor der Operation. «Wir erklären den Betroffenen, was auf sie zukommt, und legen zusammen fest, wo am Bauch der Ausgang liegen soll.» Auch Angehörige werden auf Wunsch miteinbezogen. In diesem ersten Gespräch werden auch die Form des Verschlusses sowie die Technik der Entleerung und Reinigung gemeinsam besprochen.

Selbst Saunabesuche sind möglich

«Eine grosse Sorge ist oft der Geruch», sagt die Pflegeexpertin. Das sei allerdings «gar kein Thema mehr», denn die Beutel, in die der Stuhl fliesst, seien absolut dicht und zudem mit einem Kohlefilter ausgestattet. Wandern, Joggen, Schwimmen, selbst Saunabesuche seien heute mit einem Stoma möglich. Patienten mit einem Stoma werden auch nach dem Austritt aus dem Spital durch die Stoma- und Kontinenzberatung betreut, entweder im USZ oder in der Nähe des Wohnorts.

Tumorstadium und Rückfallrisiko

4750 Menschen in der Schweiz erkranken laut Krebsliga pro Jahr neu an Darmkrebs. Betroffen sind am häufigsten Menschen über 50 – die Darmspiegelung zur Früherkennung und allenfalls Entfernung von gutartigen Darmpolypen wird deshalb derzeit ab diesem Alter empfohlen. Entdeckt jemand bei sich Blut im Stuhl oder diagnostiziert der Hausarzt eine Blutarmut unbekannter Ursache, gehört die Darmspiegelung zur Abklärung.

Operation fast immer als Erstbehandlung

Wird Dickdarmkrebs (Kolonkarzinom) diagnostiziert, folgen weitere Untersuchungen, um Metastasen in anderen Organen auszuschliessen. Bei Dickdarmkrebs ohne Metastasen ist die Erstbehandlung fast immer eine Operation. Die Pathologin ermittelt am Operationspräparat das genaue Tumorstadium, von dem das Risiko eines Rückfalls und damit auch die Behandlung abhängen. Bei den Stadien I und II ist der Tumor auf die Wandschichten des Darms begrenzt, im Stadium III finden sich Tumorzellen in den mitentfernten Lymphknoten – in solchen Fällen wird immer mit einer Chemotherapie nachbehandelt.

Beim Enddarmkrebs (Rektumkarzinom) erfolgt vor der Operation eine aufwändige Diagnostik mit zusätzlicher Magnetresonanztomografie (MRI) und Enddarmspiegelung (Endosonografie). Eine Vorbehandlung, meist mit Strahlentherapie, soll den Tumor verkleinern und das Rückfallrisiko nach der Operation reduzieren.

Moderne Behandlungsmethoden

Bei grossen, fortgeschrittenen Rektumkarzinomen hat sich das Vorgehen seit Kurzem völlig verändert. «Wir ziehen quasi die Nachbehandlung mit Strahlen- und meist auch Chemotherapie vor, weil man in Studien gesehen hat, dass die Patienten besser ansprechen und deutlich seltener Rückfälle haben», sagt Ralph Fritsch, medizinischer Onkologe und Leiter des Darmtumorzentrums. Die Vorbehandlung könne bis zu fünf Monate dauern.

Nicht zu früh palliativ behandeln

Im Stadium IV hat Darmkrebs bereits in andere Organe gestreut, und die Behandlung wird nun komplexer. «Jede Erkrankung ist anders, es gibt erhebliche Unterschiede in der Aggressivität und im Verlauf», sagt Ralph Fritsch. In einem «molekularen Profiling» versuchen die Pathologen herauszufinden, welche Änderungen in der DNA des Tumors zur Entartung der Zelle geführt haben. KRAS, NRAS und BRAF sind Tumorgene, bei denen man häufig Mutationen findet. Manche dieser Genveränderungen können mit zielgerichteten Medikamenten behandelt werden. In seltenen Fällen, wo sich Erbgutabschnitte wiederholen, sind Krebsimmuntherapien wirksam.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit als Schlüssel

«Die Behandlung von Darmkrebs ist fast immer multimodal», sagt Ralph Fritsch. Entscheidend für den Erfolg sei, dass es ein eingespieltes Team aus Darm- und Leberchirurgen, Radioonkologinnen, molekularen Pathologen, Onkologinnen und weiteren Disziplinen gebe, die sich in Tumorboards regelmässig austauschten.

Hinzu komme die grosse Erfahrung mit komplexen, häufig fortgeschrittenen Tumorerkrankungen, wie sie an einem universitären Zentrum behandelt werden. «Wir versuchen, Darmkrebspatientinnen auch dann zu heilen, wenn sich bereits Metastasen gebildet haben», sagt Ralph Fritsch.

Sei die Erkrankung aber zu weit fortgeschritten, sei eine Heilung noch immer nur in Ausnahmefällen möglich. Dennoch sei es bei komplexen Darmkrebserkrankungen oft sinnvoll, eine Zweitmeinung einzuholen, betont Viszeralchirurg Matthias Turina. «Wir sehen immer wieder Fälle, wo Darmkrebspatienten zu früh palliativ behandelt wurden.»

Die Fachpersonen

Matthias Turina, Prof. Dr. med.

Chefarzt, Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie

Tel. +41 44 255 97 23
Spezialgebiete: Kolorektale und Proktologische Chirurgie

Ralph Fritsch, PD Dr. med.

Leitender Arzt, Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie

Tel. +41 44 255 22 14
Spezialgebiete: Gastrointestinale Tumore, Hepatobiliäre Tumore, Molekulare Onkologie und Präzisionsonkologie