Beckenverletzungen

Beckenringfrakturen

Der Beckenbruch ist eine häufige Verletzung dieses wichtigen Knochenverbundes und entsteht in der jungen Bevölkerung durch hochriskante Unfälle, z.B. Motorrad, im Alter auch bei Bagatellstürzen. Es kann sich dabei um einen leichten Riss handeln, der unter konservativen Massnahmen von selbst wieder heilt. Je nach auslösendem Unfall oder Trauma kann jedoch ein schwerwiegender, manchmal auch komplizierter Bruch in verschiedenen Teilen des Beckenrings entstehen. Dabei kann es zu massiven, auch lebensgefährlichen Blutungen kommen. Bei Osteoporose können diese Brüche auch als sogenannte Ermüdungsbrüche auftreten, ohne dass ein Sturz vorliegt. Mehr über die Ursachen dieser Beckenverletzung, die Symptome, Behandlung und Prognose.

Überblick: Was ist ein Beckenbruch?

Je nach Ausmass der Beckenverletzung (Schweregrad) wird grundsätzlich in zwei Formen unterschieden:

  1. Unverschobener oder stabiler Bruch (Fraktur), wobei der der Bruchverlauf manchmal kaum in normalen Röntgenbildern erkannt werden kann. Wie bei einem normalen Ring, sind auch am Beckenring randständige Brüche oder nur Brüche einer Region (einseitig vorne oder hinten) in der Regel stabil.
  2. Kompletter, vollständiger Beckenbruch – dabei sind meist mehrere Teile des Beckenrings gebrochen (vorne und hinten und/oder beidseitig). Gleichzeitig können je nach Unfall und Ausmass der Verschiebung auch Organe im Becken verletzt sein, etwa der Harnorgane, also Blase und Harnleiter, aber auch wichtige Blutgefässe oder Nerven.

Weitere Einteilungen des Beckenbruchs erfolgen gemäss der verschiedenen Abschnitte des Beckenrings oder Beckengürtels. Dabei ist die Anatomie dieses Schutz- und Vermittlungssystems von verschiedenen, fest miteinander verbundenen Knochen wichtig: Das Becken besteht aus einem Ring, der hinten von Kreuzbein und Sitzbein gebildet wird, an den Seiten von den beiden Schaufeln des Darmbeins, vorne vom Schambein.

Typ A – stabiler Beckenringbruch – meist nur ein, meist nicht durchgehender Riss, der hintere Beckenring ist stabil. Oft sind dabei Sitzbein, Schambein oder Steissbein unterhalb der Verbindungen zum Gelenk durch einen Riss betoffen.

Typ B – partielle Unterbrechung des hinteren Beckenrings, dabei ist die Stabilität meistens über die intakten Bänder gegeben.

Typ C – instabiler Beckenbruch mit kompletter Unterbrechung des vorderen und hinteren Beckenrings – hier sind hintere Abschnitte des Beckengürtels komplett betroffen, der Knochenring wird dadurch instabil. Rund 50 Prozent der Betroffenen erleiden dabei weitere Verletzungen im Körper, also ein Polytrauma, das nicht selten lebensgefährlich ist.

Beckenbruch: Ursachen und Risikofaktoren

Ein Beckenbruch tritt vor allen in zwei Altersgruppen auf – unter den jungen Erwachsenen, also zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, sowie unter den Betagten, Durchschnittsalter 70 Jahre.

Bei jungen Menschen ist die Ursache für die Beckenfraktur vor allem ein Unfall, etwa mit dem Motorrad unter hoher Geschwindigkeit, oder ein Sturz aus grosser Höhe (Hochrasanztrauma). Ausschlaggebend ist dabei nicht nur das Ausmass der Kraft, die auf das Becken einwirkt, sondern auch, aus welcher Richtung sie auf den Knochenring trifft. Meist entstehen dadurch instabile Brüche mit Polytrauma.

Unter den Älteren dagegen kommen andere Risikofaktoren und Ursachen zum Tragen. Da spielt einerseits die schwindende Stabilität der Knochen eine Rolle, also Osteoporose. Die Knochen können deshalb bereits unter geringer Krafteinwirkung brechen. Zusätzlich kommen Schwindel und Gangunsicherheit ins Spiel, die wiederum ein hohes Stolper-Risiko bergen. Ein Sturz aus dem Stand oder das Fallen aus dem Bett kann dann bereits eine Beckenfraktur nach sich ziehen (Niedrigrasanztrauma).

Symptome: Schmerzen können extrem sein, meist beim Auftreten auf die verletzte Beckenhälfte

Im Anschluss an den Unfall können bestimmte Schmerzen auf einen Beckenbruch hinweisen. Dabei kommt es jedoch immer auf den Schweregrad der Verletzung an sowie ihre Lokalisation. Ein kleiner Beckenriss im vorderen Bereich kann eventuell sogar kaum Symptome auslösen.

Meistens ist eine Beckenfraktur jedoch mit starken Schmerzen verbunden.

Typisch sind beispielsweise:

  • Schmerzen in einer der Leisten oder in beiden
  • Schmerzen im hinteren Bereich des Beckens
  • Schmerzen beim Bewegen des Beines auf der Seite, die betroffen ist
  • Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk auf der betroffenen Seite

Daneben können nach kurzer Zeit Schwellungen und Blutergüsse auftreten. Sind Harnorgane mitbetroffen, kommt es zur entsprechenden Symptomatik, etwa Blut im Urin.

Vor allem der instabile Beckenbruch ist eine sehr ernste Verletzung, Gehen, Stehen oder Sitzen sind nicht mehr möglich. Symptome unter anderem sind: Die Beine können durch die Verschiebung im Becken unterschiedlich lang sein, das Becken befindet sich im Schiefstand.

Beckenbruch: Diagnose bei uns

Handelt es sich um einen schweren Sport- oder Verkehrsunfall, wird der Rettungsdienst herangezogen. Meist wird rasch Verdacht auf instabilen Beckenbruch und Polytrauma gestellt. Er leistet die Erstversorgung noch vor Ort und auf der Fahrt ins Spital. Achtung: Bei Unfallopfern mit Verdacht auf instabilen Beckenbruch und Polytrauma können die Bruchkanten der Knochen Venen und andere grosse Gefässe im Becken verletzt haben. Dadurch besteht das Risiko von starken inneren Blutungen. Sie müssen möglichst rasch identifiziert und gestoppt werden, sonst droht Lebensgefahr. Dabei muss auch das Becken stabilisiert werden, um den Auslöser der Blutungen sozusagen zu entschärfen.

Für einen nicht ganz so schwer Verletzten, also ohne Polytrauma, erfolgen – abgesehen von diesen Rettungsmassnahmen – die weiteren Untersuchungen und Diagnose oft zuerst in der Hausarztpraxis oder bei Fachleuten der Orthopädie und Unfallchirurgie ähnlich wie im Spital. Die Beschreibung des Unfallhergangs sowie die persönlichen Gesundheitsdaten bilden die Basis der Anamnese – die in der Praxis genauso wie im Spital abgefragt werden. Dazu gehört auch die Frage nach bereits vorher bestehenden Erkrankungen, ob etwa bei Älteren bereits eine Osteoporose diagnostiziert worden war.

Daran schliesst sich die körperliche Untersuchung an. Wir kümmern uns zuerst um äussere Verletzungen, falls diese vorliegen. Ausserdem tasten wir den Beckenring vorsichtig ab, ob hier Auffälligkeiten oder Instabilität vorliegt und wo es zu Schmerzen kommt. Zusätzlich wird geprüft, ob die Beine in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind, ob die Sensibilität stimmt sowie die Durchblutung und Beinlänge.

Beckenbruch mit 3-D-Aufnahmen exakt diagnostizieren

Mit der körperlichen Untersuchung können wir zwar meist schon vermuten, welche Teile des Beckens verletzt sind. Doch um den Schaden genau festzustellen sind bildgebende Verfahren unverzichtbar:

  • Röntgenuntersuchung und zwar Beckenübersicht sowie Schrägaufnahmen
  • 3-D-Aufnahmen des Beckens mit Computertomografie

Damit lassen sich Risse und Brüche identifizieren, ihre Lokalisation, Ausprägung und ob benachbarte Organe in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Besteht der Verdacht, dass benachbarte Organe durch den Bruch verletzt sind, Harnwege oder Blase verletzt sind, wird zusätzlich per Urografie untersucht. Dazu werden mit Hilfe von Kontrastmitteln Nieren und ableitende Harnwege geröntgt.

Abgerundet werden diese Diagnosemassnahmen mit Bluttests, die nicht nur darüber Auskunft geben, wie stark der Blutverlust ist und ob ein dadurch bedingter Schock droht, sondern auch zur Operationsvorbereitung dient. Denn häufig ist die Operation die wichtigste Therapiemassnahme bei Beckenringfraktur.

Beckenbruch:Vorbeugen und Prognose

Die beste Prävention, keinen Beckenbruch zu erleiden ist Vorsicht – also bitte keine Risikobereitschaft. Das betrifft vor allem die besonders für Beckenbruch gefährdete Gruppe der 20- bis 30-Jährigen. Beachten Sie deshalb bitte Geschwindigkeitsbegrenzungen, richten Sie sich beim Fahren auch nach der Witterung. Rasen spart letztendlich nur wenige Minuten – und wenn dadurch ein Unfall ausgelöst wird, muss jeder Beteiligte, ob er will oder nicht, auf einmal sehr viel Zeit aufbringen – oder verspielt im schlimmsten Fall sogar sein Leben oder das anderer. Und meiden Sie waghalsige Klettertouren, die Ihre Gesundheit gefährden könnten.

Ältere, also die zweite Risikogruppe, sollten so weit wie möglich mit täglicher Bewegung ihr Gleichgewicht und ihre Trittsicherheit trainieren. Hier gibt es spezielle Gymnastik mit Balanceübungen. Auf diese Weise lassen sich Stürze vermeiden. Zur Sturzprophylaxe gehört aber auch, in der Wohnung keine Stolperfallen zu haben – wie dicke Teppiche, hohe Schwellen und Ähnliches.

Verlauf und Prognose (Beckenbruch)

Stabiler Beckenbruch: Wer eine Fraktur des Beckenrings erlitten hat, muss zuallererst geduldig sein. Sogar wenn es sich nur um einen Riss handelt, kann es bis zu acht Wochen dauern, bis er sich geschlossen hat. Dabei ist in der ersten Zeit eine Teilbelastung wichtig. Der stabile Beckenbruch heilt auf diese Weise in den allermeisten Fällen ohne Komplikation und Folgen aus. Ist aber eine ausreichende Mobilisation nicht möglich, sei es durch starke durch Schmerzmittel nicht zu kontrollierende Schmerzen oder Unsicherheit, dann sollten auch bei diesen Brüchen minimal-invasive Stabilisationsverfahren ins Auge gefasst werden. Das Risiko von Komplikationen durch die Immobilität ist hier grösser als das der minimal-invasiven Operation.

Instabiler Beckenbruch: Beim instabilen Beckenbruch kommt es darauf an, wie viele Teile des Beckenrings betroffen sind und ob zusätzlich Organe verletzt wurden. Der Therapieplan: Operation, danach kurzfristig gar keine Belastung, danach jedoch rasch wieder kontrollierte Mobilisation. Doch bis die betroffene Person wieder ganz genesen ist und ihre Beine normal belasten darf, können viele Monate vergehen.

Hier spielen auch das Alter und der Gesundheitszustand der Betroffenen eine zusätzliche Rolle. Allerdings kann es beim instabilen Beckenbruch etwas häufiger zu Komplikationen kommen als beim stabilen. Sind etwa Nerven im Becken verletzt, besteht das Risiko einer Inkontinenz und Männer können Probleme mit der Erektionsfähigkeit haben. In den allermeisten Fällen heilt jedoch auch ein instabiler Beckenbruch ohne Folgen aus.

Beckenbruch: Behandlung bedeutet meistens Operation

Nur wenn es sich um einen stabilen Beckenbruch handelt, reicht eine konservative Behandlung aus. Das bedeutet, Betroffene müssen in der Regel nicht operiert werden. Vorsichtige und langsame Mobilisation mit Teilbelastung unter der Anleitung der Physiotherapie sind die Massnahmen. Schmerzmittel können in der ersten Zeit zusätzlich gegeben werden.

Anders bei partiellem oder instabilem Beckenbruch mit kompletter Unterbrechung. Hier stellt die Operation die wichtigste und erste Therapie-Massnahme dar. Dabei fügt die Chirurgin oder der Chirurg die Knochenbruchstücke wieder zusammen, fixiert sie etwa mit Platten und Schrauben. Je nach Ausprägung und Lokalisation der Brüche wird für die Erstversorgung auch eine externe Fixierung genutzt. Dabei werden diese Konstrukte als Haltesystem von aussen durch die Haut am Knochen fixiert, später erfolgt dann die Implantation.

Am USZ werden alle gängigen modernen Techniken und Implantate situationsabhängig genutzt, um ihnen das bestmöglichste Ergebnis zu bieten. Zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen der Anästhesie halten wir uns vor-, während und nach der Operation an vom USZ entwickelte Algorithmen, um den Blutverlust bei diesen manchmal grossen Operationen gering zu halten, so dass das Risiko der Gabe von Fremdblut deutlich minimiert wird.

Doch auch minimal-invasive Operationstechniken sind inzwischen möglich. So lässt sich etwa über einen kleinen Hautschnitt mit langen Schrauben ein Bruch stabilisieren. Hier wenden wir am USZ eine moderne intraoperative 3D-Navigation an, welche anhand einer intraoperativen Computertomografie den Operierenden den geplanten Schraubenverlauf und die Lage der Instrumente mit einer Genauigkeit von 1mm anzeigt, so dass nicht nur eine sehr sichere Fixation erzielt, sondern auch die Komplikationsrate minimiert werden kann.

Gerade die besondere Gruppe der geriatrischen Patientinnen und Patienten mit instabilen Brüchen, also nicht grundsätzlich stabile Insuffizienzbrüchen, stellt eine besondere Herausforderung dar. Eine rasche Mobilisation ist wichtig, um die Aktivität nicht zu verlieren. Dies geht in der Regel nur mit Vollbelastung. Daher setzen wir hier neben der Bruchstabilisation teilweise spezielle Hüftprothesenmodelle – auch minimal-invasiv – ein, um diese Ziele zu erreichen und betreuen die betagten Patientinnen und Patienten interdisziplinär insbesondere zusammen mit der Klinik für Geriatrie, um die Mobilität erhalten zu können.

Bei einem operativen Eingriff wird vom Institut für Anästhesiologie das individuell auf Sie angepasste Anästhesie-Verfahren ausgewählt.