Fibromyalgie

Fibromyalgie-Syndrom, Weichteilrheuma

Ständige Schmerzen, die nicht vergehen wollen. Schon morgens eine bleierne Müdigkeit und Kraftlosigkeit, die jede Bewegung zur Qual macht. All das gehört für Menschen, die unter Fibromyalgien leiden, zum Alltag.

Die Erkrankung ist umgangssprachlich auch als „Weichteilrheuma“ bekannt, doch dieser Begriff ist irreführend: Fibromyalgie ist keine rheumatische Krankheit. Unklar ist, was sie stattdessen ist, denn ihre Ursache ist unbekannt. Das macht es schwierig, die körperlich und seelisch belastenden Fibromyalgie-Symptome zu behandeln. Dennoch gibt es wirkungsvolle Therapien, mit denen die Betroffenen eine spürbare Verbesserung ihrer Lebensqualität erreichen können

Überblick: Was ist eine Fibromyalgie?

Die Fibromyalgie gehört zu den häufigsten Schmerzerkrankungen. Wie viele Menschen davon betroffen sind, ist zwar nicht genau bekannt, doch die geschätzten Zahlen für die Gesamtbevölkerung sind hoch – sie liegen zwischen 1,4 und 6,6 Prozent. Für die Schweiz sind das rund 122.000 bis 574.000 Patientinnen und Patienten. Betroffen sind ganz überwiegend Frauen, ihr Anteil unter den Erkrankten beträgt etwa 85 Prozent.

Fibromyalgie bedeutet Faser-Muskel-Schmerz. Es sind aber nicht nur schmerzende Muskeln und Fasern, die den an Fibromyalgie Erkrankten zu schaffen machen. Die körperlichen Beschwerden sind begleitet von Müdigkeit und Erschöpfung, oft auch von Kraftlosigkeit und weiteren Leiden. Bei der Fibromyalgie kommen also mehrere Krankheitszeichen (Symptome) zusammen, weshalb man hier zusammenfassend von einem Syndrom spricht. Da das Fibromyalgiesyndrom (FMS) dauerhaft besteht, gehört es in der Einteilung der verschiedenen Krankheiten zur Gruppe der chronischen Schmerzsyndrome.

Vor allem die Skelettmuskulatur ist beim Fibromyalgiesyndrom betroffen, also die Muskulatur von Hals, Armen und Beinen. Die chronischen Schmerzen können aber auch den ganzen Körper befallen. Obwohl die Schmerzen so offensichtlich sind, lässt sich die Fibromyalgie mit den gängigen Diagnoseverfahren nicht nachweisen. Zwar leiden die Betroffenen unter teilweise heftigen Beschwerden, doch Belege dafür gibt es weder im Blutbild noch bei Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren wie Röntgen, Kernspintomografie oder Ultraschall. Häufig wird die Diagnose Fibromyalgie erst dann gestellt, wenn alle anderen körperlichen Erkrankungen ausgeschlossen sind, mit denen man die vorhandenen Schmerzen erklären könnte.

Fibromyalgie ist keine organische Erkrankung. Da selbst bei schwer zu ertragenden Ganzkörperschmerzen weder Blut noch Organe geschädigt werden, verändert sich die Lebenserwartung der Betroffenen nicht. Deshalb gibt es bei dieser Krankheit auch kein Fibromyalgie-Endstadium.

Diagnose: Wie lässt sich eine Fibromyalgie feststellen?

Viele Betroffene erleben, dass mehrere Arztbesuche und Untersuchungen zunächst keine Klarheit bringen. Oft ist es so, dass die Fibromyalgie erst dann eindeutig festgestellt wird, wenn alle anderen infrage kommenden Schmerzerkrankungen ausgeschlossen wurden. In vielen Fällen erfolgt die Diagnose – und eine entsprechend gezielte Behandlung der Krankheit – deshalb sehr spät. Dabei gibt es durchaus Kriterien, die eine eindeutige Diagnose der Fibromyalgie erleichtern können.

Diagnose mit dem Widespread Pain Index (WPI)

Zunächst will Ihr Arzt oder Ihre Ärztin möglichst genau herausfinden, an welchen Körperstellen Sie Schmerzen haben. Die Antwort „überall“ wäre für eine zuverlässige Diagnose der Fibromyalgie zu unpräzise. Deshalb kann ein diagnostisches Schema wie der sogenannte Widespread Pain Index (WPI) helfen, die körperlichen Schmerzzonen zu ermitteln: Hier sind auf einer Ganzkörperzeichnung 19 Zonen beschriftet (z. B. Kiefer links, Unterleib, Oberarm rechts). Der Patient oder die Patientin soll mit einem Stift ankreuzen, welche dieser 19 Körperbereiche in den vergangenen Tagen wehtaten oder empfindlich auf Berührungen reagierten. Für jede angekreuzte Stelle wird ein Punkt addiert, bis zu 19 Punkte können also zusammenkommen.

Fibromyalgie Syndrom – Intensität und Dauer der Schmerzen

Weitere Fragen des Arztes oder der Ärztin beziehen sich auf die Intensität (Heftigkeit) der empfundenen Schmerzen. Auch ihre Dauer spielt eine Rolle: Bestehen sie seit drei Monaten oder länger, ist das ein weiteres Indiz dafür, dass es sich beim Krankheitsbild um Fibromyalgie handelt. Wenn all diese Angaben ermittelt sind und dabei klar definierte Grenzwerte überschritten werden, kann eine Fibromyalgie meist eindeutig diagnostiziert werden. Wenn aber nur ein einzelner, isolierter Bereich des Körpers wehtut, zum Beispiel Schultern und Nacken, dann liegt keine Fibromyalgie vor.

Fibromyalgie-Diagnose mit der Symptom Severity Scale (SSS)

Eine weitere Methode, um eine Fibromyalgie-Diagnose zu erstellen, ist die sogenannte Symptom-Schwere-Skala (Symptom Severity Scale, kurz SSS). Auch hier sollen die Betroffenen persönliche Angaben machen, zum Beispiel über die Häufigkeit von Konzentrationsstörungen oder Erschöpfungszuständen. Wenn im Fragebogen eine bestimmte Anzahl von Punkten erreicht wird, spricht dies für das Vorhandensein einer Fibromyalgie.

Um eine besonders zuverlässige Diagnose stellen zu können, setzen Ärztinnen und Ärzte häufig beide Methoden ein, sowohl WPI als auch SSS.

Letztlich sind es also die eigenen Angaben der Betroffenen, die ganz entscheidend darüber Auskunft geben, ob ein Fibromyalgiesyndrom vorliegt oder nicht. Die gängigen diagnostischen Verfahren der Medizin (z. B. Röntgen, Ultraschall, Blutbild) können allenfalls helfen, andere Krankheitsbilder auszuschliessen, die der Fibromyalgie ähneln.

Ursachen und Risikofaktoren: Wie entstehen Fibromyalgien?

Die Ursache für das Fibromyalgie-Syndrom ist unbekannt. Die Betroffenen reagieren überempfindlich auf Schmerzen, aber es gibt dafür keine medizinische Erklärung. Als gesichert gilt die Erkenntnis, dass es sich bei der Fibromyalgie um keine entzündliche oder rheumatische Erkrankung handelt, wie man noch vor einigen Jahren annahm. Folgende Annahmen werden zurzeit in der Medizin diskutiert und erforscht:

  • Möglicherweise führen veränderte Vorgänge beim Stoffwechsel zu einer höheren Empfindlichkeit bei der Wahrnehmung von Berührungen. Mit der Folge, dass zum Beispiel ein leichter Druck auf eine Körperstelle, der normalerweise harmlos ist, als schmerzhaft empfunden wird.
  • Patientinnen und Patienten, bei denen zuvor Rheuma diagnostiziert wurde, scheinen anfälliger für Fibromyalgie zu sein.
  • Auch eine genetische Veranlagung für das Fibromyalgiesyndrom ist möglich.
  • In der Vergangenheit erlebter Stress könnte eine Rolle spielen. Es ist denkbar, dass Stesserfahrungen in der Kindheit in späteren Jahren ein Schmerzsyndrom auslösen können. Das liegt an Strukturen im Gehirn, in denen sich die Verarbeitung von Stress und Schmerz überlagern können.
  • Die Entzündung von Nervengewebe könnte an der Entstehung der Fibromyalgie beteiligt sein. Dieser Vorgang, Neuroinflammation genannt, betrifft vor allem Nerven im Gehirn und im Rückenmark.
  • Bei vielen Menschen, die vom Fibromyalgiesyndrom betroffen sind, wurden Schäden an feinen Nervenfasern festgestellt, die sich vor allem unter der Haut befinden. Unklar ist aber, ob diese sogenannte Small-Fiber-Neuropathie die Ursache oder eine Folge der Fibromyalgie ist.

Symptome: Wie zeigen sich Fibromyalgien?

Für eine Fibromyalgie gibt es zahlreiche Anzeichen. Mehrere Dutzend solcher Krankheitssymptome sind bekannt, aber sie müssen nicht alle vorhanden sein, um von einem Fibromyalgiesyndrom sprechen zu können. Für die Diagnose der Fibromyalgie sind vier Kernsymptome entscheidend:

  • Dauerhafte Schmerzen; entweder in mehreren grossflächigen Bereichen des Körpers oder in Form von Ganzkörperschmerzen.
  • Schlafstörungen; vor allem die Tiefschlafphasen sind gestört oder können sogar komplett ausfallen.
  • Chronische Müdigkeit und Erschöpfung; zumindest teilweise ist die dauerhafte Abgeschlagenheit eine Folge des gestörten Schlafs.
  • Kognitive Störungen; sie beeinträchtigen zum Beispiel die Konzentration und das Gedächtnis. Die Betroffenen können oft nicht klar denken, sondern fühlen sich „wie benebelt“.

Bei den meisten Betroffenen bleibt es nicht bei diesen vier Kernsymptomen. Die Mehrzahl der Patientinnen und Patienten leidet unter mindestens einem von vielen weiteren möglichen Krankheitszeichen. Dazu gehören:

  • Mangelnde seelische Belastbarkeit
  • Depressive Verstimmungen
  • Angstgefühle
  • Verdauungsstörungen
  • Unregelmässiger Herzschlag
  • Sexuelles Desinteresse
  • Reizempfindlichkeit (Licht, Lärm, Berührung)

Prognose: Wie verlaufen Fibromyalgien?

Wer unter Fibromyalgie leidet, empfindet zumeist Schmerzen an Muskeln, Gelenken und Knochen. Obwohl diese schmerzhaften Empfindungen dauerhaft bestehen, treten sie nicht immer mit gleichbleibender Intensität auf. Äussere Einflüsse wie Wetter, Bewegung, körperliche Belastung und seelischer Stress können die Schmerzempfindung verändern. Negativ, aber auch positiv.

Viele Fibromyalgie-Patienten und -Patientinnen haben die Erfahrung gemacht, dass es ihnen weh tut, sich zu bewegen. Schon das Zähneputzen oder andere einfache Handgriffe können zur Last werden. Die mit der Krankheit verbundenen schmerzhaften Bewegungen führen deshalb häufig dazu, dass die Betroffenen sich schonen. Doch Muskeln, die inaktiv sind, verkümmern. Die Folge ist ein Muskelabbau, der wiederum zu Beschwerden führt. Ein Teufelskreis.

Den Teufelskreis zu durchbrechen, ist nicht einfach. Aber es ist in sehr vielen Fällen möglich. Und trotz aller Beschwerden, die sie schafft, fehlt der Fibromyalgie eine negative Eigenschaft, die bei anderen Krankheiten Sorgen und Ängste erzeugt: Fibromyalgie schädigt keine Organe, und sie reduziert nicht die Lebenserwartung.

Therapie: Wie werden Fibromyalgien behandelt?

Viele Patientinnen und Patienten, die unter Fibromyalgie leiden, sehnen sich nach einem wirksamen Medikament. Nach einer Tablette, die alle Schmerzen beseitigt und endlich wieder ein unbeschwertes Leben ermöglicht. Doch eine solche Wunder bewirkende Anti-Fibromyalgie-Pille gibt es nicht. Selbst die gängigen und in der Medizin häufig eingesetzten Schmerzmittel bleiben bei Fibromyalgien meistens wirkungslos. Was jedoch nicht heisst, dass Sie die Krankheit tatenlos gewähren lassen müssen. Die Forschung zeigt, dass multimodale Ansätze bei Fibromyalgie zu einer verbesserten Lebensqualität beitragen können. Diese setzen sich meistens aus medikamentösen, physiotherapeutischen, Lebensstiländerungen und manchmal auch psychotherapeutischen Interventionen zusammen.

Fibromyalgie: Diese Sportarten können Ihnen helfen

Wenn die Fibromyalgie nicht extrem ausgeprägt ist, hilft in vielen Fällen regelmässige Bewegung, am besten in Form eines leichten Ausdauertrainings. Viele Patientinnen und Patienten haben gute Erfahrungen mit Schwimmen, Wassergymnastik, Velofahren oder Nordic Walking gemacht. Sehen Sie diese sportlichen Tätigkeiten keinesfalls als harmlose Ersatztherapie für fehlende Medikamente an, denn ihre Wirkung kann beachtlich sein. Die wichtigste Voraussetzung, um in den Genuss dieser positiven Auswirkung zu kommen, ist allerdings die Bereitschaft, aktiv zu werden. Oft ist es möglich, dass sich die Schmerzen durch die Aufnahme einer sportlichen Aktivität kurzfristig verstärken, dies ist jedoch in den meisten Fällen kein Grund zur Sorge. Das Ziel sollte sein den Körper wieder zu stärken und beweglich zu machen, ohne ihn zu überfordern.

Entspannungs-Techniken und Verhaltenstherapie

Zusätzlich zur regelmässigen sportlichen Bewegung sollten Sie auch ausprobieren, ob weitere Aktivitäten Ihre Lebensqualität verbessern können. Gute Erfahrungen haben Fibromyalgie-Patientinnen und -Patienten zum Beispiel mit Yoga, Tai-Chi und Autogenem Training oder auch geleiteten Entspannungs- oder Meditationsübungen gemacht. Hilfreich kann es auch sein, dem Fibromyalgiesyndrom psychisch zu begegnen, etwa mit Hilfe der sogenannten kognitiven Verhaltenstherapie (KVT). Hierbei lernen die Betroffenen negative Verhaltensweisen und Gedankenmuster zu erkennen, die ihre Schmerzen verstärken. Anschliessend sollen die Patientinnen und Patienten neue gedankliche Strategien zur Schmerzbewältigung erlernen. Oder auch neue Strategien zum Abbau von Stress und zur Verbesserung des nächtlichen Schlafs.

Fibromyalgiesyndrom – Medikamente

Ist das Fibromyalgie-Syndrom stärker ausgeprägt, können ergänzend zur körperlichen Tätigkeit auch Medikamente zum Einsatz kommen. Um welche es sich dabei handelt (zum Beispiel Entzündungshemmer, schmerzstillende Psychopharmaka) richtet sich nach der individuellen Ausprägung der Krankheit. Da Fibromyalgie bei jedem und jeder Betroffenen anders verläuft, entscheiden die Ärzte und Ärztinnen je nach Einzelfall unterschiedlich.