Insektengiftallergie

Hymenopterengiftallergie

Ein Insektenstich kann allergische Reaktionen auslösen. Meistens erscheinen sie nur in Form von juckenden oder schmerzhaften Schwellungen (Quaddeln). Doch manche Menschen erleiden auch eine schwere allergische Reaktion bis hin zum Schock, der im schlimmsten Fall tödlich endet, wenn nicht sehr schnell die richtige Behandlung erfolgt (zum Beispiel durch Einnahme von Notfallmedikation).

Überblick: Was ist eine Insektengiftallergie?

Ähnlich wie Medikamente, Katzenhaare, Blütenpollen oder Nahrungsmittel können auch Stiche von Insekten eine Allergie auslösen. In der Schweiz und im übrigen Mitteleuropa sind die Verursacher meistens Bienen, Wespen oder Hornissen. Sehr viel seltener treten Allergien nach Stichen von Hummeln, Bremsen, Mücken und Ameisen auf.

Wenn Insekten ihr Gift über einen Stachel unter die menschliche Haut spritzen (injizieren), wirkt es im Blut der Betroffenen als Substanz, die vom menschlichen Immunsystem als fremd erkannt und bekämpft wird. Diese Abwehrreaktion (Immunreaktion) kann so heftig sein, dass sie allergische Symptome, also eine Allergie erzeugt. Bei Allergien löst daher nicht das Gift, sondern die überschiessende Reaktion des Immunsystems die Krankheitssymptome aus.

Diese Reaktion Ihres Körpers zeigt sich noch nicht beim ersten Stich eines Insekts, gegen dessen Gift Sie allergisch sind: Erst beim zweiten Kontakt mit dem Insektengift (und bei allen folgenden Kontakten) reagiert Ihr Immunsystem, weil es jetzt das Allergen wiedererkennt und bekämpft. Möglicherweise hatten Sie, ohne es zu wissen oder sich daran zu erinnern, früher schon einmal einen Stichkontakt mit diesem Gift, zum Beispiel als Kleinkind. Es könnte also eine unerkannte Allergie vorliegen, von der Sie überrascht werden.

Insektengiftallergie – Häufigkeit und Alter

Allergien gegen Insektengifte sind nicht allzu selten; die überwiegende Mehrzahl erlebt nach einem Insektenstich allerdings nur eine starke örtliche Reaktion: Der Körper reagiert nur am Ort des Einstichs, also auf der Hautoberfläche und darunter. In selteneren Fällen löst der Stich eine systemische Reaktion aus, die den allgemeinen Organismus betrifft und ihn schwer belasten kann. Die sogenannte systemische Reaktion nach Insektenstichen tritt bei etwa 1.2 bis 3.5 Prozent der Bevölkerung auf. In der Schweiz sterben daran jährlich etwa drei bis vier Menschen. Bei Todesfällen sind aber neben der allergischen Reaktion in den meisten Fällen noch andere Faktoren wie etwa bestehende Herz-Kreislauferkrankung oder grosse Erschöpfung mit involviert.

Insektengiftallergie: Ursachen und Risikofaktoren

Wenn die Giftstoffe von Insekten in Ihr Blut gelangen, sind sie für Ihren Organismus Fremdkörper (Antigene). Abwehrzellen im Blut (Antikörper) erkennen diese Eindringlinge und versuchen, sie zu bekämpfen. In diesem Fall sind es Antikörper vom Typ IgE (Immunglobulin E). Ihr Abwehrkampf besteht darin, sich an die Antigene zu binden und sie so in ihrer Aktivität einzuschränken.

Insektengifte und andere Antigene, die Allergien auslösen, werden auch Allergene genannt.

Erkennen die IgE-Antikörper bei einem zweiten oder folgenden Stich derselben Insektenart das Allergen wieder, ist der Körper vorbereitet (sensibilisiert) und kann sofort auf den Insektenstich reagieren. Allergisch reagierende Personen tun dies im Übermass: Ihr Immunsystem reagiert zu heftig auf eine für andere harmlose Substanz.

Beim Kontakt von Antigenen (Allergenen) und Antikörpern werden im Gewebe bestimmte Substanzen freigesetzt. Das sind Hormone oder Botenstoffe, die sich über das Blut im ganzen Körper verteilen. Sie lösen die allergischen Symptome aus. Ein wichtiger Botenstoff hierbei ist Histamin.

Das Gift von Bienen und Wespen enthält eine Reihe verschiedener Allergene, die zum Teil dieselben sind. Das Gift von Hornissen entspricht weitgehend dem der Wespen; die Zusammensetzung des Gifts von Bienen ist ähnlich dem von Hummeln. Zwischen Bienen – und Wespengift besteht auch eine gewisse, wenn auch geringere Kreuzreaktivität. Es gibt somit Betroffene, die nur auf Bienen – oder Wespengift allergisch reagieren und andere bei denen beide Gifte Allergien auslösen.

Symptome: Insektengiftallergie

Manchmal dauert es nur wenige Minuten, bis sich nach einem Insektenstich die ersten Symptome auf der Haut zeigen. Nicht-lokale Reaktionen (die über die Haut hinausgehen) können noch nach 30 Minuten auftreten. Nicht jede Reaktion ist zwangsläufig eine allergische: Es gibt Menschen, die nach einem Insektenstich an einem stark angeschwollenen Arm leiden, aber keine Insektengiftallergie haben. Klarheit schafft hier erst die ärztliche Diagnose durch einen Bluttest (Bestimmung spezifischer IgE gegen Bienen- und Wespengift).

Die Symptome einer Insektengiftallergie lassen sich in unterschiedliche Schweregrade aufteilen

  • Örtliche Reaktion (lokale Reaktion): Das Insektengift ruft im Bereich der Einstichstelle eine Rötung oder Schwellung der Haut hervor. Weitere häufige Symptome sind Juckreiz und Brennen. Der Bereich der Schwellung umfasst weniger als zehn Zentimeter im Durchmesser und klingt nach spätestens 24 Stunden ab. Auch diese äusserlich auf die Haut beschränkte Reaktion kann bereits mit unangenehmen Empfindungen begleitet sein (z. B. Schwindel, Kopfweh, allgemeines Unwohlsein).
  • Schwere örtliche Reaktion (gesteigerte lokale Reaktion): Die Schwellung ist meistens größer als zehn Zentimeter, schmerzhaft und besteht länger als einen Tag. Als Faustregel kann gelten: Eine Schwellung, die die Handfläche des Gestochenen übertrifft, ist als übermässig anzusehen. Wenn Sie unter diesem Schweregrad einer Insektengiftallergie leiden, verspüren Sie vielleicht auch ein Frösteln oder fühlen sich krank.
  • Systemische Reaktion (allgemeine Reaktion): Neben den oben erwähnten Begleiterscheinungen können Symptome wie beim Heuschnupfen auftreten (tränende Augen, geschwollene Nasenschleimhaut). Aber auch schwerwiegende und teilweise lebensbedrohende Symptome sind möglich: zum Beispiel Atemnot, Schwindel, Übelkeit, Durchfall und Herz-Kreislauf-Probleme.
  • Allergischer Schock (anaphylaktischer Schock): Dies ist die schwerstmögliche Reaktion auf Insektengift – sie kann tödlich enden. Sollten Sie nach einem Insektenstich (oder Insektenbiss) zunächst ein Kribbeln oder Brennen auf der Zunge oder im Rachen verspüren, kann dies das erste Anzeichen für einen anaphylaktischen Schock sein. Wenn er nicht sofort behandelt wird, sind als weitere Reaktionen möglich: Herzrasen, Erbrechen, Atemnot, Ausscheiden von Urin und Stuhl, Bewusstlosigkeit.

Illustration Symptome bei Inseketengiftallergie

Anaphylaktischer Schock: Lebensrettende Soforthilfe

Falls Sie wissen, dass Sie zu den Menschen gehören, die auf Insektengift allergisch und mit schweren Symptomen reagieren, sollten Sie ein Notfallset mit sich führen. Sie können es im Ernstfall ohne fremde Hilfe verwenden und sollten sich vor dem ersten Einsatz damit vertraut gemacht haben.

Ein solches Set enthält meistens drei verschiedene, jeweils schnell wirksame Arzneistoffe, die in flüssiger Form oder als Fertigspritze (Adrenalin) verabreicht werden:

  • Antihistaminikum
  • Kortison
  • Adrenalin (zum Spritzen)

Insektengift-Allergie: Diagnose bei uns

Wenn Sie uns nach einem Insektenstich aufsuchen, stellen wir Ihnen zunächst Fragen zum konkreten Geschehen:

  • Bei welcher Gelegenheit wurden Sie gestochen?
  • Haben Sie das Insekt gesehen?
  • Welche Symptome sind aufgetreten?
  • Wie schnell traten sie auf?

Weitere Fragen beziehen sich auf vergleichbare Erlebnisse in Ihrer Vergangenheit:

  • Wurden Sie früher schon einmal von einem Insekt gestochen?
  • Mit welchen Folgen?

Wir werden Ihnen möglicherweise auch Fragen zu Ihren Lebens- und Ernährungsgewohnheiten stellen. Allergien nehmen nämlich manchmal einen schweren Verlauf, wenn ihr eigentlicher Auslöser (Stich oder Biss) mit anderen Faktoren zusammentrifft. Etwa mit psychischem Stress, mit dem Genuss bestimmter Nahrungsmitteln oder der Einnahme von Medikamenten (zum Beispiel Beta-Blocker, ACE-Hemmer). Auch das muss bei der Diagnose einer Insektengiftallergie abgeklärt werden.

Um herauszufinden, ob bei Ihnen tatsächlich eine Insektengiftallergie vorliegt, veranlassen wir möglicherweise einen Allergie-Test.

  • Am bekanntesten ist der Hauttest: Bei diesem Verfahren werden Insektengifte, die im Verdacht stehen, eine Allergie auszulösen, stark verdünnt und in geringer Dosierung in direkten Kontakt mit der Haut gebracht. Allergische Reaktionen zeigen sich dann meist in Form von Rötungen und Schwellungen (Quaddeln). Es können aber auch stärkere Symptome auftreten, weshalb der Test immer unter ärztlicher Aufsicht stattfinden soll.

Dieser Hauttest kann auch zeigen, ob Sie nicht nur gegen ein bestimmtes Gift allergisch sind, sondern gegen mehrere. Wenn Sie zum Beispiel nach einem Bienenstich eine Allergie gegen Bienengift entwickelt haben, könnte unbemerkt auch eine zweite Allergie gegen ein weiteres Insektengift auftreten. In so einem Fall spricht medizinisches Fachpersonal von einer Kreuzreaktion oder Kreuzallergie.

  • Beim CAP-Test (Cellulose Carrier-Polymer-System) wird im Labor untersucht, ob sich in Ihrem Blut bestimmte Abwehrstoffe (IgE-Antikörper) befinden, die gegen ein bestimmtes Insektengift gerichtet sind.
  • Weitere Labor-Untersuchungen können durchgeführt werden, um beispielsweise
    • Unterschiede zwischen Bienen- oder Wespengift als Auslöser zu erkennen
    • mögliche Schutzwirkungen der Hyposensibilisierung/Immuntherapie mit Insektengift abschätzen zu können
    • erhöhte Risikofaktoren zu erkennen.

Insektengiftallergie: Vorbeugen, Früherkennung, Prognose

Die beste Methode, um den bedrohlichen Symptomen einer Insektengiftallergie zu entgehen, besteht darin, dass Sie sich vor für Sie gefährlichen Insekten schützen.

Die wichtigsten Massnahmen zur Vermeidung von Insektenstichen

  • Gehen Sie im Freien nicht barfuss.
  • Tragen Sie im Freien lange Hosen und Kleidung mit langen Ärmeln.
  • Vermeiden Sie bunte Kleidung, weil Bienen sie mit Blüten verwechseln können. (Wespen interessieren sich dagegen nicht für Farben, sondern für Gerüche.)
  • Verlassen Sie sich nicht auf Insektenschutzmittel; sie halten Hautflügler, die eine Insektengiftallergie auslösen, meist nur unzureichend oder gar nicht ab.
  • Achten Sie darauf, dass Sie nicht aus Gläsern oder Flaschen trinken, in denen sich eine Biene, Wespe oder ein anderes für Sie gefährliches Insekt befinden könnte.
  • Beachten Sie, dass bestimmte Gerüche auf Insekten anziehend wirken. Dazu gehören Schweiss, Duftstoffe in Cremes, Haarsprays oder Seife sowie verschiedene Nahrungsmittel (Fleisch, Schinken, Obst, Süssigkeiten).

Sollten Sie an einer Mastozytose leiden (das ist eine seltene Haut- oder Bluterkrankung mit zum Teil auch Beteiligung anderer Organe), weisen Sie uns unbedingt darauf hin. Mastozytose-Betroffene haben ein erhöhtes Risiko, nach einem Insektenstich einen anaphylaktischen Schock zu erleiden.

Insektengiftallergie: Vorbeugen durch Hyposensibilisierung

Eine Methode der Vorbeugung besteht darin, Ihr Immunsystem gegen die Folgen von Insektenstichen oder -bissen unempfindlicher zu machen, es zu desensibilisieren. Das geschieht, indem Ihrem Körper zunächst sehr kleine und dann langsam ansteigende Mengen von stark verdünntem Insektengift verabreicht werden. So soll sich Ihr Organismus an das Gift gewöhnen. Das Ziel der Hyposensibilisierung ist, dass er nicht mehr so heftig reagiert, falls Sie später nach einem Stich einer grösseren und unverdünnten Gift-Dosis ausgesetzt sind.

Diese Therapie wird Desensibilisierung, Hyposensibilisierung oder spezifische Immuntherapie genannt. Sie erstreckt sich meist über drei bis fünf Jahre. Die Einleitung beginnt mit einem ambulant verbrachten Tag am Spital (sogenannter Ultra-Rush); anschliessend sind nach drei Injektionen auf der Allergiestation in mehrwöchigen Abständen Injektionen alle vier bis sechs Wochen notwendig; diese können bei der Hausärztin oder beim Hausarzt sowie auch bei uns durchgeführt werden.

Bevor wir bei Ihnen eine Hyposensibilisierung vornehmen, müssen wir sicherstellen, dass bei Ihnen tatsächlich eine Allergie vorliegt und dass das auslösende Allergen (das Insektengift) genau bekannt ist. Eine weitere Voraussetzung ist, dass sich bei Ihnen nach einem früheren Kontakt mit diesem Gift (durch Stich oder Biss) Symptome zeigten, die für Sie belastend.

Verlauf und Prognose der Insektengiftallergie

Die akute Situation:

Wenn Sie von einem Insekt gestochen werden, gegen dessen Gift Sie allergisch sind, dann hängen der Verlauf Ihrer allergischen Reaktion und die Folgen vor allem davon ab, ob und wie schnell eine Behandlung stattfindet. Unbehandelte Symptome können harmlos, aber auch lebensbedrohlich sein; sie können Minuten, aber auch Stunden andauern. Je schneller sich nach einem Stich die Symptome der Insektengiftallergie zeigen, desto schwerwiegender sind meist die Komplikationen – und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, einen anaphylaktischen Schock zu erleiden. Werden die Symptome dagegen schnell behandelt, klingen sie oft rasch ab und hinterlassen meistens keine spürbaren Folgen.

Die langfristige Situation:

Wenn Sie wissen, dass Sie an einer Insektengiftallergie leiden, kann die erwähnte Hyposensibilisierung zu einer günstigen Prognose führen. Nach einer sorgfältig erfolgten Therapie stehen Ihre Chancen gut, dass sich in Zukunft lästige oder bedrohliche Insektenstich-Symptome nur noch in abgeschwächter Form zeigen. Vielleicht bleiben sie sogar ganz aus. Ohne Hyposensibilisierung bleibt eine Allergie gegen Bienen, Wespen oder andere Insekten oft ein Leben lang bestehen. Doch Allergien können mit zunehmendem Alter auch schwächer werden. Und sie können erst in späteren Lebensjahren zum ersten Mal auftreten.

Insektengiftallergie: wirksame Behandlung

Wenn Sie allergisch auf Insektenstiche reagieren und gestochen worden sind, versuchen Sie möglichst schnell, aber vorsichtig, den Stachel aus der Haut zu ziehen. Falls an ihm eine Giftdrüse hängt, zerquetschen Sie sie nicht, sondern hebeln diesen zum Beispiel mit dem Fingernagel von unten aus – sonst könnte noch mehr Gift in Ihre Blutbahn gelangen. Bienenzüchtende, die meist Erfahrung mit Bienenstichen haben, schnippen den Stachel mit dem Fingernagel heraus.

Gleichzeitig stellen Sie sich eine einfache Frage: Sind die Symptome leicht (und gut auszuhalten) oder so schwer, dass Sie professionelle Hilfe brauchen?