Morbus Wilson

Kupferspeicherkrankheit

Wenn Sie an der Erbkrankheit Morbus Wilson leiden, kann Ihre Leber überschüssiges Kupfer aus der Nahrung nicht über die Galle ausscheiden. Das Spurenelement reichert sich im Körper an, wodurch Ihre Organe Schaden nehmen.

Überblick: Was ist Morbus Wilson?

Bei Kupfer handelt es sich um ein lebenswichtiges Spurenelement. Sie benötigen davon täglich etwa 1.5 bis 2 Milligramm, die Sie mit der Nahrung aufnehmen. Das Metall kommt vor allem in Innereien, Fisch, Schalentieren, Nüssen, Kakao und in manchen grünen Gemüsen vor. Einige Gewürze, beispielsweise Basilikum, Majoran, Muskat und Pfeffer, enthalten relativ viel davon.

Kupfer übernimmt eine Vielzahl von Funktionen im Körper. Unter anderem ist es:

  • beteiligt am Zellwachstum,
  • mitverantwortlich für die Aufnahme vonEisen im Magen-Darm-Trakt,
  • beteiligt an der Bildungvon Hämoglobin in roten Blutkörperchen,
  • mit zuständig für den Aufbau von Haaren, Knochen und Haut sowie
  • Bestandteil zahlreicher Enzyme.

Der Anteil im Körper beträgt etwa 70 bis 150 Milligramm. Hauptsächlich kommt Kupfer im Knochengerüst vor, aber auch in den Muskeln, in der Leber und im Gehirn.

Wenn Sie am Morbus Wilson leiden, kann Ihr Organismus überschüssiges Kupfer nicht über die Galle ausscheiden. Dadurch steigt der Kupfergehalt der Leber, bis die Speicherkapazität des Organs schliesslich erschöpft ist. Danach reichert sich das Spurenelement in weiteren Organen an – etwa im Gehirn, in den Augen oder den Nieren. Dort hat es eine toxische (giftige) Wirkung und schädigt Zellen. Das verursacht verschiedene Symptome – abhängig davon, welches Organ wie viel Kupfer anreichert und wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist.

Morbus Wilson gehört zu den seltenen Erkrankungen und ist genetisch bedingt. Im Durchschnitt leidet 1 von 30‘000 Einwohnerinnen und Einwohnern an der Erbkrankheit. In der Schweiz sind es ungefähr 285 Betroffene. Allerdings tragen weit mehr Menschen das defekte Gen: Etwa 1 von 90 Bürgerinnen und Bürgern hat eine einzelne Kopie des Gens. Das bedeutet, eine Person erkrankt nicht an Morbus Wilson, kann den Gendefekt aber an ihre Kinder weitergeben.

Die Krankheit ist nach dem britischen Neurologen Samuel Alexander Kinnier Wilson benannt. Er beschrieb 1912 erstmals die in manchen Familien gehäuft auftretenden Symptome. Damals war allerdings noch nicht bekannt, dass die Ursache eine Störung des Kupferstoffwechsels ist.

Morbus Wilson: Ursachen und Risikofaktoren

An Morbus Wilson Erkrankte lagern überzähliges Kupfer in verschiedenen Organen ein. Dort richtet das Metall Schaden an. Wer den für die Erbkrankheit verantwortlichen Gendefekt trägt, der vererbt ihn autosomal-rezessiv. Das bedeutet, die Person erkrankt nicht selbst am Morbus Wilson, kann ihn aber vererben. Nur wenn beide Elternteile den Gendefekt haben, geben sie ihn an ihr Kind weiter, bei dem die Krankheit dann mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent ausbricht.

Erst im Jahr 1993 konnten Forschende nachweisen, dass das Gen ATP7B (das sogenannte Wilson-Gen) das Leiden verursacht. Dieses auf Chromosom 13 lokalisierte Gen dient sozusagen als Blaupause für das Wilson-Protein, das eine wichtige Rolle im Kupferstoffwechsel spielt.

Allerdings ist es nicht immer derselbe Gendefekt, der einen Morbus Wilson auslöst – für das Wilson-Gen sind inzwischen über 350 verschiedene Veränderungen bekannt. Die Vielzahl an möglichen Mutationsstellen ist mitverantwortlich dafür, dass Gentests zur Diagnose des Wilson-Syndroms meist nur dann ausgeführt werden, wenn es in der Familie bereits verbürgte Krankheitsfälle gab.

In geringen Mengen ist Kupfer für Ihren Körper essenziell, das heisst lebensnotwendig. Er benötigt es beispielsweise für die Bildung von Nervenzellen, für Knochen, Haut, Bindegewebe. Sie nehmen täglich etwa zwei bis fünf Milligramm mit der Nahrung auf. Was Ihr Körper nicht benötigt, scheidet er wieder aus. Doch dieser Prozess funktioniert nicht, wenn Sie an Morbus Wilson leiden. Während die Galle von Gesunden täglich rund zwei Milligramm Kupfer ausscheidet, beträgt die Menge von Betroffenen mit Morbus Wilson nur etwa 0.2 bis 0.4 Milligramm. Dadurch lagert sich immer mehr Kupfer in deren Leberzellen an und beeinträchtigt die Leberfunktion.

Kupfer im Körper

Symptome: Vor allem die Leber leidet

Morbus Wilson zeigt sich zwischen fünf bis 45 Jahren erstmals durch Symptome, gehäuft allerdings zwischen 13 und 24 Jahren. Leberschäden gehören immer zu den Folgen, selbst bei ganz jungen Betroffenen. Im Vordergrund des Leidens stehen zudem neurologische Erkrankungen. Sie belasten vier von zehn betroffenen Personen und zeigen sich nach dem zehnten Lebensjahr.

Die Kupferspeicherkrankheit tritt anfangs meist durch unspezifische Symptome in Erscheinung:

  • Sie fühlen sich müde und erschöpft.
  • Ihr Appetit leidet.
  • Sie haben öfter Bauchschmerzen.

Welche weiteren Symptome sich zeigen, hängt davon ab, in welchen Organen sich Kupfer hauptsächlich eingelagert hat (zum Beispiel Leber, Gehirn, Augen, Nieren) und wie weit die Erkrankung bereits fortgeschritten ist. Oft kommt es zu

  • Leberschäden,
  • neurologischen Beschwerden,
  • Veränderungen an den Augen oder

  • Gelbsucht, also gelbe Färbung von Haut und Schleimhäuten
  • Neigung zu blauen Flecken
  • Ödeme, also Flüssigkeit in den Beinen oder im Bauchraum
  • Neurologische Probleme, wie:
    • Schluckstörungen
    • Probleme mit dem Sprechen
    • Gestörte Körperkoordination
    • Zittern und unkontrollierte Muskelbewegungen
    • Muskelsteife
  • Veränderungen an den Augen, wie:
    • Kayser-Fleischer-Kornealring: Um den äusseren Rand der Iris bildet sich ein bräunlicher Ring durch Kupfereinlagerungen in der Hornhaut.
    • Sonnenblumenkatarakt: Es lagert sich Kupfer in der Linse des Auges ab.
  • Nierenprobleme, wie:
    • Eiweiss nachweisbar im Urin (Proteinurie)
    • Nierensteine
  • psychische Veränderungen, wie:
    • gestörte Aufmerksamkeits- beziehungsweise Konzentrationsfähigkeit
    • Stimmungsschwankungen
    • Depressionen

Komplikationen durch den Morbus Wilson

Wird die Kupferspeicherkrankheit nicht entdeckt und nicht behandelt, kann es zu Komplikationen kommen:

  • Leberzirrhose: Die Kupferablagerungen verursachen Gewebeschäden in der Leber. Das Organ versucht, diese Gewebeschäden zu reparieren. Dabei vernarbt und verhärtet es, was seine Funktion auf Dauer beeinträchtigt.
  • Leberversagen (Leberinsuffizienz): Ein Versagen der Leber kann sich über Jahre entwickeln oder plötzlich auftreten. Ist es bereits weit fortgeschritten, kann das Organ soweit geschädigt sein, dass eine Transplantation nötig wird.
  • Neurologische Probleme: Auch trotz einer Behandlung können neurologische Beschwerden auftreten oder sich durch die Medikation verstärken.
  • Nierenleiden: Die Kupferspeicherkrankheit kann den Nieren zusetzen. Auftretende Probleme sind Nierensteine oder eine hohe Aminosäurenkonzentration im Urin.
  • Psychische Beeinträchtigungen: Der Morbus Wilson kann auch der Psyche schaden. Die Folgen sind:
    • Veränderungen der Persönlichkeit
    • Depressionen
    • Bipolare Störungen
    • Psychosen

Morbus Wilson: Diagnose bei uns

Da die Kupferspeicherkrankheit meist mit recht unspezifischen Symptomen beginnt, ist ihre Diagnose schwierig. Es dauert oft einige Zeit, bis wir sie erkennen.

Hinweise geben verschiedene Untersuchungen.

  • Bluttest:
    Wir werden Ihre Leberwerte prüfen, den Kupfergehalt des Bluts und den Coeruloplasmingehalt
  • Urinuntersuchungen:
    Im 24-Stunden-Sammelurin kann er den Kupferanteil messen lassen.
  • Augenuntersuchungen: 
    Eine Untersuchung Ihrer Augen zeigt, ob sich Kupfer in der Hornhaut abgelagert hat, der Kayser-Fleischer-Kornealring, oder in Ihrer Linse, wodurch der sogenannte Sonnenblumenkatarakt entsteht.
  • Leberbiopsie: Durch eine mit einer feinen Nadel entnommene Gewebeprobe aus der Leber können wir feststellen lassen, ob sie Kupfer eingelagert hat.
  • Gentest: Sie sind aufwendig und werden nur vorgenommen, wenn es in Ihrer Familie bereits gesicherte Fälle der Kupferspeicherkrankheit gibt.
  • Bildgebende Verfahren: Magnetresonanztomografie oder Sonografie lassen Organveränderungen erkennen.

Morbus Wilson: Vorbeugung, Früherkennung, Verlauf

Der Erbkrankheit Morbus Wilson können Sie nicht vorbeugen. Falls es bereits betroffene Familienmitglieder gibt, sollten deren Geschwister und Kinder sich genetisch auf Morbus Wilson untersuchen lassen. Denn je früher die Krankheit entdeckt wird, desto früher kann die Behandlung anfangen – so lässt sich möglicherweise sogar verhindern, dass die Krankheit mit Symptomen ausbricht.

Wird die Kupferspeicherkrankheit frühzeitig erkannt, lässt sie sich gut therapieren: Gelingt die Diagnose, bevor die Krankheit ausbricht, verhindert eine (lebenslange) Therapie, dass Sie Symptome entwickeln.

Bestehen bereits Symptome, löst eine kupferregulierende Therapie sie normalerweise komplett auf (ausgenommen Leberschäden). Sie können damit ein normales Leben führen – vorausgesetzt, Sie nehmen die Medikamente zuverlässig zeitlebens ein.

Ohne Behandlung entwickelt sich Morbus Wilson kontinuierlich fort. Durch die wachsenden Kupferablagerungen entstehen immer mehr Defekte im Körper, bis sie schliesslich nach etwa vier bis acht Jahren lebensbedrohlich werden.

Selbsthilfegruppen

Der Austausch mit Gleichbetroffenen kann bei der Bewältigung einer Krankheit eine grosse Unterstützung sein. Beratung auf der Suche nach einer geeigneten Selbsthilfegruppe erhalten Sie bei Selbsthilfe Zürich. Selbsthilfe Zürich und das Universitätsspital Zürich sind Kooperationspartner im nationalen Projekt «Gesundheitskompetenz dank selbsthilfefreundlicher Spitäler».

Morbus Wilson: Therapie über Medikamente und Ernährung

Wenn Sie an Morbus Wilson leiden, müssen Sie, um die potenziell tödlichen Folgen der Krankheit zu verhindern, zeitlebens Medikamente einnehmen. Ausserdem sollte Ihre Ärztin oder Ihr Arzt Ihre Blut- und Urinwerte halbjährlich beziehungsweise zu Beginn der Therapie auch häufiger testen.

Die Behandlung des Morbus Wilson verfolgt zwei Ziele:

  1. Kupferablagerungen aus dem Körper ausleiten
  2. Die Aufnahme des Metalls über die Nahrung verringern