Trigeminusneuralgie

Gesichts- oder Nervenschmerz

Plötzlich, heftig, kurz – wie ein Blitz. So lässt sich der typische Schmerz beschreiben, der bei einer Trigeminusneuralgie auftritt. Dieser in unregelmässigen Abständen wiederkehrende Nervenschmerz befällt einzelne Bereiche des Kopfes, wenn ein bestimmter Hirnnerv gereizt wird: der Nervus trigeminus. Er verbindet das Gehirn mit Teilen des Gesichts und der Mundhöhle.

Bei typischen Reizen wie Essen, Zähneputzen, Sprechen oder auch ohne erkennbaren Anlass kann hier ein stechender Schmerz entstehen, der von den Betroffenen als extrem quälend („wie ein Messerstich“) empfunden wird. Um die Trigeminusneuralgie zu behandeln, gibt es eine Reihe von Therapien: die Schmerzbekämpfung mit Medikamenten und verschiedene operative Eingriffe.

Überblick: Was ist eine Trigeminusneuralgie?

Die Trigeminusneuralgie ist zwar keine häufige, aber eine extrem schmerzhafte Erkrankung. Der blitzartig auftretende Schmerz tritt fast immer einseitig auf, ist also entweder in der linken oder in der rechten Gesichtshälfte spürbar. Häufig befallene Bereiche sind der Ober- und Unterkiefer, das Kinn, die Wange und die Lippenregion.

Betroffen sind jährlich etwa 13 Menschen pro 100.000 Einwohner. Für die Schweiz heisst das: In jedem Jahr erfahren rund 1100 weibliche und männliche Patienten die Diagnose Trigeminusneuralgie. Meistens sind sie älter als 50 Jahre, Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer.

Der Trigeminusnerv ist der größte von insgesamt zwölf Hirnnerven. Jeder von ihnen ist paarweise links und rechts im Kopf angelegt. Als Hirnnerven werden Nerven bezeichnet, die nicht dem Rückenmark entspringen, sondern direkt aus dem Gehirn austreten. Wie schon die lateinische Vorsilbe Tri (drei) im Wort Trigeminus andeutet, besteht der Trigeminusnerv aus drei Ästen. Jeder von ihnen bildet feine Verzweigungen. Der erste Ast verbindet das Gehirn mit der Stirn, der zweite verläuft aus Richtung Nase, und die Verzweigungen des dritten Astes entspringen im Unterkiefer.

Der Trigeminusnerv leitet in erster Linie Sinnesreize aus dem Gesicht zum Gehirn, zum Beispiel bei Berührungen, Temperatur- und Geruchsempfindungen. Untergeordnet hat er auch eine Bedeutung für die Bewegung der Kaumuskulatur.

Ärzte und Ärztinnen unterscheiden drei verschiedene Formen der Trigeminusneuralgie:

  • Die klassische Trigeminusneuralgie tritt auf, wenn ein Blutgefäss, meist eine Arterie, auf den Nerv drückt.
  • Die sekundäre Trigeminusneuralgie entsteht als Folge einer anderen Erkrankung, wie zum Beispiel einer Multiplen Sklerose, eines Tumors oder beispielsweise eines Schlaganfalls. Auch diese Erkrankungen können zu einer Reizung des Trigeminusnervs führen.
  • Die idiopathische Trigeminusneuralgie hat eine Ursache, die sich nicht genau feststellen lässt. Aber auch hier liegt den Schmerzen ein gereizter Nerv zugrunde.

Diagnose: Wie lässt sich eine Trigeminusneuralgie feststellen?

In vielen Fällen klagen die Betroffenen, dass sie immer wieder heftige Schmerzen verspüren, die einseitig in den Mund- und Kieferbereich ausstrahlen. Das führt häufig dazu, die Trigeminusneuralgie zunächst für ein zahnmedizinisches Problem zu halten. Erst eine neurologische Untersuchung und die korrekte Diagnose verschaffen dann die Klarheit, die für eine erfolgreiche Behandlung notwendig ist.

Oft sind es die Patienten und Patientinnen selbst, die entscheidende Hinweise für die Diagnose liefern: indem sie genau schildern, wann, wie lange und wie oft ihre Schmerzattacken auftauchen. Dennoch muss oft durch zusätzliche Untersuchungen geklärt werden, ob wirklich eine Trigeminusneuralgie vorliegt und nicht womöglich eine andere Krankheit. Einseitige, stechende Schmerzen im Gesicht – im Augenbereich – entstehen zum Beispiel auch beim sogenannten Cluster-Kopfschmerz.

Verschiedene technische Verfahren helfen dem Neurologen oder der Neurologin, eine genaue Diagnose der Trigeminusneuralgie zu stellen. Zu diesen bildgebenden Verfahren gehören die Magnetresonanztomographie (MRT) und die Computertomographie (CT).

Ursachen: Wie entsteht eine Trigeminusneuralgie?

Ursache der typischen Trigeminusneuralgie ist der Kontakt eines eigentlich gesunden Blutgefässes mit dem Trigeminusnerv an der Stelle im Hirnstammwo der Nerv in das Gewebe eintritt. Als Folge wird die gewohnte Erregung der Nervenfasern gestört. Reize, die normalerweise keine Schmerzen erzeugen, zum Beispiel harmlose Berührungen, werden dann im Gesicht als schmerzhaft empfunden.

In seltenen Fällen können Tumore oder Missbildungen an Blutgefässen die Ursache für eine Trigeminusneuralgie sein. Auch eine andere Krankheit, die Multiple Sklerose (MS), kann als Auslöser infrage kommen. Bei MS werden die Schutzschichten (das Myelin) der Nervenfasern abgebaut. In diesem Fall sind nicht nur überwiegend ältere Menschen von der Trigeminusneuralgie betroffen und die Schmerzen können auch beidseitig auftreten.

Symptome: Wie zeigen sich Trigeminusneuralgien?

Die Schmerzattacken werden oft durch eine leichte Berührung ausgelöst. Zum Beispiel beim Rasieren, Kauen, Schminken oder durch Kontakt mit Wasser beim Duschen. Sogar ein Windzug kann genügen, um einen stechenden, durchdringenden Schmerz entstehen zu lassen. In den allermeisten Fällen befällt er nur eine Gesichtshälfte.

Die Schmerzattacken einer Trigeminusneuralgie können unterschiedlich lange andauern: weniger als eine Sekunde bis zu zwei Minuten lang. Manchmal treten die Nervenschmerzen nur vereinzelt auf, manchmal mehrmals am Tag – im Extremfall bis zu hundertmal. Die Phasen solcher schmerzhaften Attacken können sich über Wochen oder sogar Monate erstrecken.

Zwischen den einzelnen Anfällen kann es Perioden geben, in denen die Betroffenen keine Beschwerden haben. Auch diese schmerzfreien Zeiträume können sehr lange anhalten.

Therapie: Wie werden Trigeminusneuralgien behandelt?

Es gibt zwei Möglichkeiten, wie eine Trigeminusneuralgie behandelt werden kann: mit Medikamenten oder durch einen Eingriff. In den meisten Fällen wählen die Ärzte und Ärztinnen zunächst die medikamentöse Therapie. Sie soll nicht die Ursachen der Erkrankung behandeln, sondern die Beschwerden lindern.

Häufig lassen sich aber die Schmerzen mit Hilfe von Medikamenten nicht dauerhaft reduzieren, oder deren Nebenwirkungen nehmen zu. In diesem Fall wird Ihr Arzt oder Ihre Ärztin Ihnen eine invasive (in den Körper eingreifende) Behandlungsmethode empfehlen. Zum Beispiel eine Operation.

Ein neurochirurgischer Eingriff ist auch dann sinnvoll, wenn die Diagnose einer sekundären Trigeminusneuralgie gestellt wurde, also eine andere Krankheit, die für die Neuralgie verantwortlich ist. Etwa ein Tumor, der auf den Trigeminusnerv drückt. In diesem Fall soll die Entfernung des Tumors bewirken, dass auch die quälenden Schmerzen der Trigeminusneuralgie verschwinden.

Schmerzlinderung durch Medikamente

Die Schmerzattacken bei der Trigeminusneuralgie treten plötzlich auf und dauern manchmal nur wenige Sekunden oder Minuten. Deshalb helfen viele bekannte Schmerzmittel nicht, denn sie entfalten ihre Wirkung zu langsam und damit zu spät. Üblicherweise bei Schmerzen verwendete Medikamente, auch gerade stärkste Medikamente wie Opiate, sind für die Behandlung vollkommen ungeeignet. Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin stehen aber andere Medikamente zur Verfügung. Sie werden nicht im akuten Fall eingesetzt, sondern sollen Schmerzanfällen vorbeugen.

  • Carbamazepin ist ein Wirkstoff, der die Übertragung von Nervensignalen reduziert.
  • Oxcarbazepin ist ein Wirkstoff, der die Erregbarkeit von Nervenzellen vermindern kann.
  • Gabapentin ist ein Wirkstoff, der die Weiterleitung von Reizen zwischen zwei Nervenzellen unterbinden soll.
  • Pregabalin ist ein Wirkstoff, der im Gehirn die Freisetzung von Botenstoffen (Neurotransmittern) blockiert.
  • Lamotrigin ist ein Wirkstoff, der die Erregbarkeit von Nervenzellen herabsetzt und krampflösend wirkt.
  • Baclofen ist ein Wirkstoff, der für die Muskelentspannung sorgt und vor allem bei Patienten eingesetzt wird, die neben der Trigeminusneuralgie auch unter Multipler Sklerose leiden.
  • Vixotrigin ist ein neuartiger Wirkstoff, der auf die Membran von Zellen einwirkt. Hier reagiert er auf die Aktivität der sogenannten Natriumkanäle. Der Wirkstoff befindet sich noch in der Erprobungsphase. Erste Ergebnisse einer internationalen Studie, an der das Zentrum für Zahnmedizin der Universität Zürich beteiligt war, sind vielversprechend: Sie deuten darauf hin, dass Vixotrigin gut verträglich ist und die Trigeminusschmerzen deutlich reduziert.

Häufig werden vor allem am Anfang der Behandlung mit Medikamenten gute Erfolge erreicht. Oft lässt aber ihre Wirkung mit der Zeit nach, oder die Belastung durch Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder Schwindel wird zu gross. Dann liegt es nahe, eine operative Behandlungsmethode zu wählen.

Schmerzlinderung durch invasive Behandlung

Es gibt verschiedene Methoden, mit denen sich eine Trigeminusneuralgie durch einen operativen Eingriff behandeln lässt:

  • Jannetta-Operation, auch mikrovaskuläre Dekompression Bei dieser nach ihrem Entwickler benannten Methode wird hinter dem Ohr eine kleine Öffnung im Schädel vorgenommen. Das Loch ermöglicht den direkten Zugang zum Trigeminusnerv, der von einer anliegenden Arterie bedrängt wird. Um den Nerv von Druck zu entlasten, wird zwischen ihm und der Arterie ein kleines Kunststoffpolster eingefügt. Die mikrovaskuläre Dekompression erfolgt unter Vollnarkose.
  • Behandlung mit Hitze, auch Thermokoagulation Hierbei handelt es sich um eine sogenannte perkutane Operation (perkutan = unter der Haut). Der Arzt oder die Ärztin schiebt eine Sonde unter die Gesichtshaut, bis bestimmte Ausläufer des Trigeminusnervs erreicht sind. Eine dünne Hitzesonde soll die schmerzerzeugenden Nervenfasern veröden oder zerstören. Die Thermokoagulation erfolgt meist unter Kurznarkose und ambulant.
  • Behandlung mit Druck, auch Ballonkompression Bei diesem perkutanen Verfahren wird eine Nadel durch die Wange oder aus der Mundhöhle heraus in Richtung Schädelbasis vorgeschoben. Am Zielort erzeugt ein Katheter mit einem kleinen Ballon, sobald dieser aufgeblasen ist, Druck auf Fasern des Trigeminusnervs. Nachdem die Fasern gequetscht worden sind, sollen sie nicht mehr in der Lage sein, schmerzhafte Reize weiterzuleiten. Auch die Ballonkompression kann unter Kurznarkose und ambulant erfolgen.
  • Chemische Behandlung. Auch bei dieser perkutanen Operation der Trigeminusneuralgie wird zunächst eine Nadel in den Wangenbereich eingeführt. Wenn ihre Spitze einen bestimmten Nervenknoten im Schädel erreicht hat, erfolgt eine Injektion mit Alkohol (Glycerin). Der Alkohol zerstört die Nervenfasern, wodurch die Weiterleitung von Schmerzsignalen blockiert wird. Auch dieser Eingriff kann ambulant und in Kurznarkose erfolgen.
  • Strahlentherapie. Diese Behandlungsmethode wird stereotaktische Radiochirurgie Ihr Werkzeug ist ein Bestrahlungsgerät wie z.B. ein sogenanntes Cyber-Knife oder Gamma-Knife – ein neurochirurgisches „Messer“, das nicht mit einer Klinge schneidet, sondern in Form von konzentrierter und hochpräziser Strahlung von aussen in den Körper eindringt. Bei einer Trigeminusneuralgie sollen die Strahlen den Trigeminusnerv kontrolliert schädigen – möglichst so, dass er keine Schmerzen mehr weiterleitet, aber die für das Gesicht wichtigen Nervenverbindungen behält.

Prognose: Wie verlaufen Trigeminusneuralgien?

Wenn sie nicht behandelt wird, kann eine Trigeminusneuralgie die Lebensqualität extrem beeinträchtigen. Nicht nur wegen der oft sehr gravierenden Schmerzen. Viele Betroffene verändern aus Furcht vor wiederkehrenden Attacken ihre Alltagsgewohnheiten, mit negativen Folgen für die Gesundheit. So wird zum Beispiel das Zähneputzen vernachlässigt, weil es hierbei zu Schmerzanfällen kommt. Manche Patienten und Patientinnen trinken und essen zu wenig, weil sie befürchten, dass beim Kauen oder Schlucken wieder eine Schmerzattacke ausgelöst wird.

Diese Beeinträchtigungen sind nicht nur körperlich, sondern auch seelisch belastend. Nicht wenige von einer Trigeminusneuralgie Betroffene werden depressiv und verlieren ihren Lebensmut. Im englischen Sprachraum wird die Trigeminusneuralgie deshalb auch als „Suicide disease“ bezeichnet, also als Selbstmord-Krankheit.

Umso wichtiger ist es, dass diese Erkrankung frühzeitig diagnostiziert und behandelt wird. Mit der richtigen Therapie können die Schmerzattacken erträglich werden oder ganz verschwinden – oft sogar langfristig. So berichten zum Beispiel nach einer Jannetta-Operation direkt nach dem Eingriff mehr als 80 Prozent der Behandelten, dass sie schmerzfrei sind. Zehn Jahre später liegt die Zahl der beschwerdefreien Patienten und Patientinnen immer noch bei über 70 Prozent.

Andere Behandlungsmethoden erzielen ebenfalls gute oder sehr gute Ergebnisse. Erkundigen Sie sich bei Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin danach, wenn es darum geht, welche Therapie für Sie am besten geeignet ist.

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