Tumorprofil im Labor

Story

Personalisierte Krebstherapie

Publiziert am 27. Juni 2022

Je genauer ein Tumor analysiert werden kann, desto besser stehen die Chancen für eine effiziente individuelle Behandlung. Noch gibt es offene Fragen.

Text: Helga Kessler

Wenn aus gesunden Zellen Krebszellen werden, hat das einen Grund. Diesen zu finden und die Krebszelle dann an ihrer Schwachstelle anzugreifen, ist das Ziel der Präzisionsonkologie. Statt einer Chemotherapie, wie sie früher bei fast allen Tumoren Standard war, bekommen heute immer mehr Betroffene «zielgerichtete Medikamente». Die Behandlung wirkt besser und verursacht gleichzeitig weniger Nebenwirkungen. «In den vergangenen Jahren hat die Krebsmedizin rasante Fortschritte gemacht», sagt Thorsten Zenz, Leitender Arzt der Klinik für medizinische Onkologie und Hämatologie.

Vorhersagen können, was wirkt

Die Grundlage für die individuelle Behandlung liefern genaue Analysen der Tumorzellen. Molekularpathologen suchen systematisch nach veränderten Genen, sogenannten Mutationen, die krankmachende Prozesse anstossen. Dank dieser Biomarker lässt sich vorhersagen, ob ein bestimmtes Medikament überhaupt wirken kann. Ist das nicht der Fall, erspart man dem Patienten eine unnötige Thera­pie – und dem Gesundheitssystem unnötige Kosten.

Von einigen Genen weiss man heute, dass sie an sehr vielen verschiedenen Krebsarten beteiligt sind, so zum Beispiel ein Gen namens BRAF sowie eines namens RAS. Sind diese Gene mutiert, stösst das Signalketten an, die die Tumore wachsen lassen. Massgeschneiderte Moleküle, sogenannte Inhibitoren, können die Signalketten stoppen. Andere Genveränderungen verhindern, dass defekte Zellen repariert und entfernt werden. Eine zentrale Rolle bei vielen Krebsarten spielt das Reparatur- oder Tumorsuppresor-Gen p53. Mit speziell entwickelten Molekülen versucht man, den gestörten Reparaturmechanismus wieder in Gang zu bringen. Andere Krebsmedikamente wirken, indem sie den Tumor daran hindern, neue Blutgefässe zu bilden.

Oft weisen Tumore mehrere Veränderungen auf – nicht alle sind bereits bekannt oder lassen sich zielgerichtet attackieren. «Was wir uns wünschen, ist, dass wir für jeden einzelnen Patienten eine Wahrscheinlichkeit ableiten können, wie gut er oder sie auf eine Therapie ansprechen wird», sagt Thorsten Zenz, der auf die Behandlung von Leukämien und Lymphomen
spezialisiert ist.

Tumorzelle kann sich anpassen

Weil die modernen Krebsmedikamente im Unterschied zu Chemotherapeutika viel weniger Nebenwirkungen verursachen, können sie über längere Zeiträume eingenommen werden. Das kann aber zur Folge haben, dass sie ihre Wirkung verlieren, etwa, weil sich die Krebszellen angepasst haben. Oder es summieren sich Nebenwirkungen. Häufig könne man dann auf ein anderes Präparat ausweichen, sagt Onkologe Thorsten Zenz. «Eine der wichtigsten Fragen ist, in welcher Reihenfolge man die Medikamente einnimmt, die zur Verfügung stehen.»

Bei allem Fortschritt in der Tumortherapie bleiben doch grundlegende Fragen offen. «Wir verstehen nur einen Bruchteil der Wirkung von Genen auf die Entwicklung von Tumoren», sagt Thorsten Zenz. Auch wisse man nicht, wie mehrere Genveränderungen sich gegenseitig beeinflussten. Welche sind entscheidend für die Entstehung einer Erkrankung und damit auch für die Therapie? Wie gelingt es den Tumorzellen, neue Wege zu finden? Das Verständnis über die Zusammenhänge sei in stetigem Fluss, so Thorsten Zenz: «Auch die Experten haben noch einiges zu lernen.»

Thorsten Zenz, Prof. Dr. med.

Leitender Arzt, Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie

Tel. +41 44 255 37 82
Spezialgebiete: Lymphome, Leukämie, Präzisionsonkologie