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Wenn Wunden nicht heilen

Zuletzt aktualisiert am 10. April 2024 Erstmals publiziert am 09. April 2024

Wunden nach Verletzungen, Operationen oder durch chronische Krankheiten können langwierig sein. Christina Gassmann, Ernährungsberaterin am Universitätsspital Zürich, erklärt, warum gute Ernährung die Heilung unterstützen kann.

Frau Gassmann, welche Rolle spielt die Ernährung für die Wundheilung?

Eine grosse! Wird Gewebe verletzt, versucht der Organismus, die Wunde rasch zu verschliessen und das zerstörte Gewebe wieder herzustellen. Dafür benötigt der Körper vor allem mehr Protein als sonst und genügend Energie, die er aus der Ernährung bekommen muss. Bei einer schlechten oder verzögerten Wundheilung sollte deshalb auch abgeklärt werden, ob die Ernährung diesen Bedarf abdeckt oder ob eine Mangelernährung vorliegt.

Was versteht man unter einer Mangelernährung?

Das ist meistens ein akuter oder chronischer Ernährungszustand. Dem Körper fehlen Energie, Protein und/oder andere Nährstoffe, die er braucht, um alle Funktionen optimal aufrechtzuerhalten. Dabei mangelt es häufig nicht nur an der Menge; auch die Zusammensetzung der Nahrung stimmt nicht oder nicht mehr mit dem Bedarf überein. Von einer Mangelernährung können deshalb sowohl über-, als auch unter- sowie normalgewichtige Menschen betroffen sein.

Wie kommt es dazu?

Es gibt viele Ursachen, die dazu führen können. Akute oder chronische Erkrankungen können zu einem erhöhten Energie- und Proteinbedarf und dadurch zu einem Gewichts- und Muskelmasseverlust führen. Auch können die Zufuhr oder die Aufnahme der Nahrung beeinträchtigt sein, etwa bei Schluckstörungen, oder wenn aufgrund einer Tumorerkrankung ein Teil des Magens oder Darms entfernt werden musste. Aber auch ein durch Krankheit oder Medikamente veränderter Geruchs- und Geschmackssinn, der die Freude am Essen verdirbt, kann letztlich zu einer Mangelernährung führen.

Wie wird Mangelernährung festgestellt?

Bei entsprechenden Anzeichen machen wir eine umfassende Abklärung. Wir sehen uns die Ernährung und Ernährungsgewohnheiten zusammen mit dem Patient oder der Patientin genau an und erheben zur Person ernährungsrelevante medizinische Daten. Bei einer schlechten oder verzögerten Wundheilung ist es auch wichtig, an einen erhöhten Blutzucker als Mitursache zu denken: Hoher Blutzucker führt zu einer schlechteren Durchblutung, dadurch werden weniger für die Wundheilung wichtige Stoffe, Sauerstoff und Blut zur Wunde transportiert, was deren Verschluss verzögert.

Wie kann man über die Ernährung die Wundheilung beeinflussen?

Für die Wundheilung braucht es besonders viel Protein. Es sollte deshalb die Hauptkomponente jeder Mahlzeit ausmachen. Vor allem tierisches Protein aus Fleisch, Fisch, Eiern, Käse und anderen Milchprodukten ist empfehlenswert. Aber auch mit pflanzlichen Lebensmitteln wie Hülsenfrüchten, Fleischersatzmitteln und pflanzlichem Milchersatz kann der erhöhte Proteinbedarf durchaus abgedeckt werden. Nahrungsergänzungsmittel und Mikronährstoffsupplemente sollten nur nach Vorgabe eingenommen werden, wenn eine Fachperson einen deutlich erhöhten Bedarf oder spezifischen Mangel festgestellt hat.

Wie kann man einer Mangelernährung vorbeugen?

Nach Schätzungen sind 20 bis 30 Prozent der Patientinnen und Patienten beim Spitaleintritt mangelernährt; chronisch kranke und betagte Personen tragen generell ein erhöhtes Risiko. Wichtig ist, eine Mangelernährung oder ein Risiko dafür zu erkennen; Hausärzte, Spitex und anderes medizinisches Fachpersonal sollten dafür sensibilisiert sein. Bei einem Verdacht oder festgestellter Mangelernährung sollten die Patienten und Patientinnen zu einer medizinisch ausgebildeten Fachperson für Ernährungsberatung/-therapie SVDE überwiesen werden, damit die Ernährung dem individuellen Bedarf angepasst werden kann.

Christina Gassmann

Stv. Leiterin Ernährungsber/-therap., Ernährungsberatung / Ernährungstherapie

Tel. +41 43 253 82 26

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