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Beckenboden – nicht nur ein Frauenthema

Zuletzt aktualisiert am 19. April 2023 Erstmals publiziert am 21. Juni 2022

Nicht nur Schwangere oder Frauen nach Geburt können von einem geschwächten oder abgesenkten Beckenboden betroffen sein. Im Beckenboden- und Kontinenzzentrum am USZ werden jährlich rund 3’000 Menschen mit einer Beckenbodenproblematik behandelt. Rund die Hälfte sind Männer.

„Bei einer Schwangerschaft rückt der Beckenboden bei Frauen oft das erste Mal ins Bewusstsein“, weiss Cornelia Betschart Meier. Die Leitende Ärztin an der Klinik für Gynäkologie koordiniert das Beckenboden- und Kontinenzzentrum am USZ seit vier Jahren. „Bei Männern taucht das Thema erst später auf“, ergänzt Marko Kozomara-Hocke, Oberarzt in der Klinik für Urologie. Inkontinenz kann bei beiden Geschlechtern zum Problem werden. Einzig die Ursache unterscheidet sich: Bei Frauen ist es eher die Belastung des Beckenbodens – zum Beispiel durch eine Schwangerschaft –, wohingegen bei Männern die Veränderung der Prostata mit dem Alter zur Blasenüberaktivität führen kann. Um herauszufinden, woher eine Inkontinenz rührt, wird oft eine urodynamische Untersuchung durchgeführt. Dabei wird die Blase mit Wasser gefüllt, und dann beobachten die Spezialistinnen und Spezialisten, wie sie sich verhält. „Diese Untersuchung ist leider unangenehm für die Patienten, aber sehr effizient“, so Marko Kozomara-Hocke. Zum Beispiel, um herauszufinden, wie die Blase reagiert, wenn die Patientin hustet. So kann zwischen Urinverlust bei Belastung oder bei Harndrang unterschieden werden.

Physiotherapie kann viel bewirken

Je nach Art der Inkontinenz unterscheiden sich auch die Behandlungen. Die einfachste und häufigste Therapie ist die Abgabe von Medikamenten. Diese beruhigen und stärken die Blasenmuskulatur. In über der Hälfte der Fälle hilft eine spezialisierte Physiotherapie mit Beckenbodentraining und Verhaltensanpassungen sehr gut. „Am häufigsten behandeln wir Menschen mit Inkontinenzen und Schmerzen“, sagt Mirjam Stauffer. Die Fachbereichsexpertin Therapie leitet das sechsköpfige Physiotherapieteam, das sich um Patienten mit Beschwerden im Bereich Beckenboden kümmert. „Mittels gezielter Anamnese und exakter Untersuchung können wir auch bei komplexen Thematiken eine hilfreiche Therapie anbieten“, sagt sie. Das bedeutet nicht immer, dass die Krankheit dadurch verschwindet, eine Verbesserung der Symptome erleben aber sehr viele Betroffene.

Beckenbodenschwäche – erkennen und handeln

Probleme des Beckenbodens sind häufig. Sie beeinflussen die Lebensqualität von Betroffenen teilweise stark. Gleichzeitig ist die Hemmschwelle oft hoch, eine Ärztin oder einen Arzt aufzusuchen. Mit unserem Selbsttest finden Sie heraus, ob Sie an einer Beckenbodenschwäche leiden.

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Acht Disziplinen involviert

Frauen werden auch mit einer Hormontherapie oder einem sogenannten Pessar therapiert. Das ist ein Plastikring oder -würfel, der, in die Scheide eingeführt, den Organen Halt gibt. Etwa ein Drittel aller Patientinnen muss jedoch operativ behandelt werden. «Operiert wird häufig bei starken Senkungen der Blase oder der Gebärmutter», sagt Cornelia Betschart Meier. Welche Operationstechnik zum Einsatz kommt, hängt vom betroffenen Organ und vom Schweregrad der Senkung ab. Funktioniert die Blase nicht mehr richtig, kommen auch elektrische Therapien infrage. «Das Prinzip ist einfach», erklärt Marko Kozomara. «Wir setzen Nadeln, so fein wie Akupunkturnadeln, durch die Haut an die Nerven und setzen sie unter Strom. Das führt zu Veränderungen in den Hirnregionen, die die Blase steuern.» Je nach Ursache der Inkontinenz hat diese Therapie gute Erfolgschancen. Aber egal, welche Therapie zum Einsatz kommt: Gemeinsam ist ihnen, dass im Beckenbodenzentrum acht Disziplinen und vier Berufsgruppen eng zusammenarbeiten, um die beste Therapie für das jeweilige Problem zu finden.

Cornelia Betschart Meier, Prof. Dr. med.

Leitende Ärztin, Klinik für Gynäkologie

Tel. +41 44 255 53 26
Spezialgebiete: Weiterbildungskoordinatorin Schwerpunkttitel Urogynäkologie, Sprechstunde und Operationen, Laparoskopische Gynäkologie, Vulvasprechstunde