Frau die photodynamische Therapie untergeht

Story

Der Krebs, den die Sonne bringt

Publiziert am 19. Juli 2022

UV-Licht kann Hautzellen bösartig entarten lassen. Sowohl weisser als auch schwarzer Hautkrebs treten in der Schweiz sehr häufig auf. Tumorart und Aggressivität der Erkrankung sind entscheidend für die Behandlung. Das Hauttumorzentrum des USZ arbeitet dabei sehr eng mit anderen Disziplinen und Kliniken zusammen.

Text: Helga Kessler

 

«Patienten, die zu uns kommen, müssen keine Angst haben, dass sie entstellt werden», sagt Jürg Hafner von der Dermatologischen Klinik. Der Dermatologe und sein Team entfernen besonders häufig Tumore im Gesicht und am Kopf. Stirn, Nase, Lippen und Ohren sind der UV-Strahlung am stärksten ausgesetzt und besonders von Hautkrebs betroffen. Jährlich 30’000 neue Fälle von weissem Hautkrebs treten in der Schweiz auf, hinzu kommen 3’000 Neuerkrankungen an schwarzem Hautkrebs. Die Zahlen steigen seit Jahren an und sind im weltweiten Vergleich hoch. Hauptgrund sei das Freizeitverhalten der Menschen, erklärt Joanna Mangana, Oberärztin der Dermatologischen Klinik: «Wandern in den Bergen und Urlaub an der Sonne.» Jeder Sonnenbrand – und jeder Solariumbesuch – erhöht das Risiko, dass die UV-Strahlung das Erbgut in Hautzellen so schädigt, dass sich diese unkontrolliert vermehren. Die Tumore des weissen Hautkrebses – Basalzellkarzinome und die selteneren spinozellulären Karzinome – treten vor allem bei älteren Menschen auf und metastasieren selten. Häufig entstehen sie über viele Jahre, vor allem an Körperstellen mit ständiger Sonnenexposition. Der Krebs wird meist chirurgisch entfernt mit einem Verfahren, das gesundes Gewebe möglichst schont. Bei der Mohs-Chirurgie schneiden die Dermatologen nach einer Lokalanästhesie den Tumor zunächst nur mit einem kleinen Sicherheitsabstand heraus. Unter dem Mikroskop schauen sie, ob insbesondere die Ränder des präparierten Gewebes frei von Tumorzellen sind. Erst dann verschliessen sie die Wunde.

Chirurgie bei Hochbetagten

Bei grossen Tumoren oder chirurgisch komplexen Fällen, etwa an Nase oder Ohren, ziehen die Dermatologen des Hauttumorzentrums weitere Spezialisten hinzu. Eine enge Zusammenarbeit gibt es mit der Plastischen Chirurgie, der ORL- und Gesichtschirurgie, der Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie und der Augenchirurgie. Die Zusammenarbeit dieser Disziplinen und das so gebündelte hoch spezialisierte Wissen erlauben eine bestmögliche Versorgung besonders schwerer Formen von Hautkrebs am USZ. Weil Spezialfälle im interdisziplinären Team bereits vorbesprochen werden, komme es selten zu Überraschungen, sagt Jürg Hafner. Für die stetig wachsende Klientel der Hochbetagten mit weissem Hautkrebs sucht er nach einfachen und pragmatischen Operationsverfahren, die die häufig mehrfach Erkrankten möglichst wenig belasten (s. Text Wundheilung, S. 29). Wenn der weisse Hautkrebs auf grösseren Flächen nur die oberste Hautschicht betrifft, kann auch eine Therapie mit Salben oder eine Kombination von Salbe und Rotlicht (Lichttherapie) infrage kommen. Bei einfachen, wenig aggressiven Formen von Hautkrebs im Gesicht kann eine Bestrahlung sinnvoll sein. Ziel der Behandlung ist immer, den Tumor möglichst vollständig zu entfernen und eine Ausbreitung zu verhindern. Ein unvollständig entferntes Basalzellkarzinom kehrt am selben Ort zurück, es bildet aber sehr selten Metastasen. Das spinozelluläre Karzinom hingegen kann Tochtergeschwulste in der Umgebung oder in den Lymphknoten bilden. Umso wichtiger ist es, diese Krebsart und ihre Vorstufe, die aktinische Keratose, so früh wie möglich zu behandeln. «In den meisten Fällen von weissem Hautkrebs ist eine Heilung möglich», betont Jürg Hafner.

Melanome bei jungen Frauen

Im Unterschied zum weissen tritt der schwarze Hautkrebs häufig auch bei jungen Menschen auf. Bei Frauen zwischen 20 und 29 Jahren ist das maligne Melanom die häufigste Krebsart – bei ihnen wachsen die Tumore besonders häufig am Unterschenkel. «Die Ursache, weshalb das so ist, ist noch unklar, vermutet werden hormonelle Faktoren», sagt Hautärztin Joanna Mangana. Bei jungen Männern sind eher Schulter und Oberkörper betroffen. Auch der schwarze Hautkrebs, der von entarteten Pigmentzellen ausgeht, breitet sich in der Regel zunächst in der obersten Hautschicht aus. Erst wenn er in die Tiefe wächst und sich mit Lymph- und Blutgefässen verbindet, kann er Metastasen bilden. «Dank Früherkennung diagnostizieren wir heute viele Melanome in einem sehr frühen und noch heilbaren Stadium », sagt Joanna Mangana. Verdächtige Pigmentflecken werden zunächst herausgeschnitten und unter dem Mikroskop untersucht. Bestätigt sich der Verdacht des Melanoms, wird dieses chirurgisch mit einem Sicherheitsabstand entfernt. Die Tumordicke, und damit das Stadium der Erkrankung, ist entscheidend für die Heilungschancen und die weitere Behandlung. Bei dünnen Tumoren, die lediglich in der Oberhaut wachsen, sind die Chancen auf vollständige Heilung am grössten. Bei dickeren Tumoren ist das Risiko grösser, dass sie bereits in tiefere Hautschichten vorgedrungen sind und sich ausgebreitet haben. Deshalb wird in solchen Fällen das Gewebe des nächstgelegenen Lymphknotens untersucht. Die weitere Behandlung hängt vom histologischen Ergebnis ab.

Erhöhtes Risiko bei Immunsuppression

Besonders gefährdet, an weissem Hautkrebs zu erkranken, sind ältere Menschen mit heller Haut, bei denen das Immunsystem unterdrückt ist, etwa nach einer Organtransplantation. «Auch der Krankheitsverlauf ist sehr aggressiv», sagt Oberärztin Mirjam Nägeli. Für Immunsupprimierte hat die Dermatologische Klinik deshalb eine spezifische Sprechstunde eingerichtet. Generell stärker gefährdet für schwarzen Hautkrebs sind Menschen mit vielen Muttermalen, nach vielen Sonnenbränden oder einer erblichen Vorbelastung.

Ausbreitung verhindern

«Ist das Risiko einer Metastasierung erhöht, kann nach der Operation eine adjuvante Therapie die Gefahr für ein erneutes Auftreten der Krebserkrankung halbieren», so Joanna Mangana. Infrage kommt eine Immuntherapie mit Antikörpern oder eine Therapie mit zielgerichteten Medikamenten, die sich gegen eine bestimmte genetische Veränderung in den Tumorzellen richten. Ob die entsprechende Mutation vorliegt, prüfen die Molekularpathologen vorab. Hat der Tumor bereits Metastasen gebildet, entscheidet das Tumorboard gemeinsam über die weitere Behandlung. Eng angebunden ist das Tumorboard an das universitäre Comprehensive Cancer Center Zürich, wo das Wissen über innovative Krebsmedizin und -forschung zusammenfliesst. Beim metastasierenden Melanom sind verschiedene Therapien möglich, abhängig von der Lage der Metastasen und vom Erkrankungsstadium. Gibt es nur wenige Metastasen und liegen diese oberflächlich und gut tastbar unter der Haut, kann das Immunsystem mit T-VEC angekurbelt werden. Bei dieser Therapie werden modifizierte Herpesviren direkt in die Tumoren gespritzt. «Das Medikament ist sehr gut verträglich, systemische Nebenwirkungen treten nur sehr selten auf», sagt Joanna Mangana.

 

Wirksam bei der Hälfte der Behandelten

Bei Metastasen in Knochen oder Gehirn kann eine Bestrahlung sinnvoll sein. Wie bei der adjuvanten Behandlung können Immuntherapeutika oder zielgerichtete Medikamente zum Einsatz kommen, häufig werden sie kombiniert. Allerdings spricht nur die Hälfte der an einem metastasierenden Melanom Erkrankten auf die Therapie an; bei der anderen Hälfte verläuft die Erkrankung innerhalb weniger Jahre tödlich. Die USZ-Dermatologen empfehlen deshalb immer die Teilnahme an klinischen Studien, weil dort neue Wirkstoffe und Kombinationen getestet werden. Versagen alle gängigen Behandlungen, kann eine Chemotherapie durchgeführt oder palliativ bestrahlt werden. Weil die Behandlung sehr komplex sein kann, steht Melanom-Patientinnen und -Patienten am USZ seit zwei Jahren eine Fachexpertin Pflege Skin Cancer beratend zur Seite. Linda Morgan erläutert im persönlichen und ausführlichen Gespräch vor Beginn einer Behandlung, wie die verschiedenen Therapien wirken, wie sie verabreicht oder eingenommen werden, worauf besonders geachtet werden sollte und welche Nebenwirkungen auftreten können. Während einer Therapie steht sie als erste Ansprechperson zur Seite – das Angebot werde sehr dankbar entgegengenommen. Wenn keine Aussicht auf Heilung mehr besteht, versucht Linda Morgan, auch schwierige Themen wie Palliativversorgung und Sterben anzusprechen. Diese Gespräche seien auch für sie nicht immer einfach. Meistens kann sie dann wenigstens kleine Lösungen anbieten: den Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe der Krebsliga, zur Spitex, zur Ernährungsberatung, zum Institut für Komplementärmedizin oder zu einem Psychoonkologen.

+50 blockt die Strahlung

Über Mittag, wenn die Sonne am stärksten strahlt, übrigens auch bei bedecktem Himmel, sollte die Haut besonders gut geschützt sein. Im Freien geht dies am besten mit UV-dichter Kleidung, Hut, Sonnenbrille und Sonnencreme. Je höher der Schutzfaktor der Creme ist, desto effektiver schützt sie vor UVA- und UVB-Strahlen. Bei 50+ dringt maximal ein Fünfzigstel der UV-Strahlung durch – es werden also 98 Prozent abgeblockt.

Joanna Mangana, PD Dr. med.

Oberärztin, Dermatologische Klinik

Tel. +41 44 255 11 11