Eine Gefässentzündung kann vielfältige Symptome hervorrufen und ist daher manchmal schwer erkennbar. Es gibt unterschiedliche Formen der Vaskulitis, die verschieden schwer verlaufen können.
Entzündungen können an verschiedensten Stellen des Körpers auftreten. So können auch die Blutgefässe entzündet sein, die unter anderem Sauerstoff, Nährstoffe und Abfallprodukte des Stoffwechsels in fast jedes Gewebe des Körpers transportieren. Medizinisches Fachpersonal spricht bei einer Gefässentzündung von Vaskulitis oder im Plural Vaskulitiden. Die Erkrankung kann im Prinzip sämtliche Arten von Gefässen betreffen: Arterien (Arteriits), Venen (Phlebitis) oder Lymphgefässe (Lymphangitis). Am häufigsten sind jedoch arterielle Gefässe betroffen. Es werden primäre und sekundäre Gefässentzündungen unterscheiden – je nach Ursache. Die primäre Vaskulitis ist eine eigenständige Autoimmunerkrankung. Dabei attackiert das Immunsystem körpereigene Strukturen und verursacht dort eine Entzündung – in diesem Fall sind es die Blutgefässe. Die sekundäre Gefässentzündung entsteht dagegen in Folge anderer Krankheiten, Infektionen oder durch die Einnahme bestimmter Medikamente.
Vaskulitiden werden gemäss der Chapel Hill Consensus Konferenz von 1994 und 2012 je nach Befall der Gefässe wie folgt unterteilt:
Von den oben genannten primären Vaskulitiden, deren Ursache nicht bekannt ist, unterscheiden wir die sekundären Vaskulitiden, bei denen man oft einen Auslöser kennt. Einige Beispiele sind:
Im späteren Verlauf dieser Erkrankungen leidet meist auch die Funktion der Organe, die von den entzündeten Gefässen versorgt werden.
Vaskulitiden sind Erkrankungen, die insgesamt selten vorkommen. Sie sind schwer zu diagnostizieren, weil Gefässentzündungen viele Facetten haben können. Am häufigsten kommt bei Erwachsenen die Riesenzellarteriitis vor, welche oft Gefässe am Kopf oder auch im Brustbereich betrifft. Sekundäre Vaskulitiden treten häufiger auf als primäre Gefässentzündungen.
Gefässentzündungen sind Autoimmunerkrankungen. Bei manchen Formen ist dies in der Form sogenannter Autoantikörper (Antikörper, d.h. Eiweisse, die sich gegen den eigenen Körper richten) ersichtlich. Solche Autoantikörper sind zum Beispiel die antineutrophilen cytoplasmatischen Antikörper, abgekürzt ANCA. Sie sind an der Entzündung kleiner Blutgefässe beteiligt, etwa bei der Granulomatose mit Polyangiitis.
Antikörper sind aber auch an der normalen Antwort des Immunsystems gegen Krankheitserreger (Antigene) beteiligt, wie z.B. Hepatitis- oder HIV-Viren. Ist das Immunsystem besonders aktiv, können die Antikörper-Antigenkomplexe auch Gefässe schädigen und eine Gefässentzündung auslösen. Man spricht von Immunkomplexen, die sich an den Gefässwänden ablagern und dadurch eine Entzündung verursachen.
Die Gefässentzündung ist sowohl für die Betroffenen als auch für ärztliches Personal schwer zu erkennen, weil sie zunächst nur sehr allgemeine Symptome hervorruft. Und diese Beschwerden können im Rahmen sehr vieler Krankheiten vorkommen, sind also nicht spezifisch für die Vaskulitis. Folgende Symptome sind möglich:
Ausserdem hängen die Symptome davon ab, welche Form der Gefässentzündung man hat, also ob grosse, mittelgrosse, kleinere oder alle Gefässe betroffen sind. So äussert sich zum Beispiel eine Riesenzellarteriitis anders als ein Morbus Behçet. Zudem können die Symptome der Vaskulitis unterschiedlich stark ausgeprägt sein und verschiedenste Organe betreffen: Haut, Augen, Nervensystem, Lunge, Hals, Nase und Ohren, Nieren, Herz, Muskeln und Gelenke oder den Magen-Darm-Trakt. Einige Beispiele für Symptome bei den verschiedenen Arten der Gefässentzündung im Überblick.
Gefässentzündungen, die die grossen Arterien des Körpers betreffen nennt man Grossgefässvaskulitiden. Die zwei wichtigsten Erkrankungen bei Erwachsenen sind hier die Takayasu-Arteritis, die v.a. bei jüngeren Patientinnen und Patienten auftritt, und die Riesenzellarteriitis, die meist bei älteren (> 50 Jahre) auftritt. Bei Entzündungen der grossen Gefässe kann es zum Verschluss von Gefässen kommen, z.B. am Arm, dann wird die Hand nicht mehr so gut durchblutet. Es kann aber auch durch die Entzündung zur Ausdünnung der Gefässwand mit Aussackungen kommen, diese nennt man Aneurysma und es besteht die Gefahr, dass das Blutgefäss an dieser Stelle einreisst.
Die Riesenzellenarteriitis ist die häufigste Form der Vaskulitis und betrifft die grossen Blutgefässe. Die Gefässentzündung zeigt sich meist am Aortenbogen und an den davon abgehenden Gefässen. Sie betrifft besonders oft ältere Menschen. Symptome bei der Riesenzellarteriitis können sein:
Manchmal führt die Gefässentzündung zu einem Gefässverschluss der Zentralarterie der Netzhaut, dann können schwere Augenschäden bis hin zur Erblindung die Folge sein. Auch ein Schlaganfall ist durch den Gefässverschluss möglich. Bei einem Grossteil der Patientinnen und Patienten treten gleichzeitig oder vorgängig auch Muskel- und Gelenkschmerzen im Bereich des Schulter- und Beckengürtels auf. Diese nennt man Polymyalgia rheumatica.
Dieses Kranhkeitsbild bezeichnet keine eigentliche Gefässentzündung, sondern ein Schmerzsyndrom des Schulter- und Beckengürtels mit Gelenk- und Muskelschmerzen. Es kann auch eine richtige Gelenkschwellung auftreten und man fühlt sich häufig ganz steif in den Muskeln und Gelenken, v.a. morgens. Zudem kommt es zu erhöhten Entzündungswerten im Blut. Bis zu 50% der Patientinnen und Patienten mit einer PMR entwickeln auch eine Riesenzellarteritis.
Die Takayasu-Arteriitis ist ebenfalls eine Entzündung der grossen Blutgefässe, zum Beispiel der Hauptschlagader und ihrer Abzweigungen. Diese Form der Gefässentzündung entwickeln oft jüngere Frauen vor dem 40. Lebensjahr. Mögliche Symptome sind:
Dieser Begriff umfasst drei Erkrankungen, bei denen spezielle Autoantikörper (die antineutrophilen cytoplasmatischen Autoantikörper, ANCAs) auftreten: die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA), die mikroskopische Polyangiitis (MPA) und die eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA).
Die Granulomatose mit Polyangiitis hiess früher auch Wegener-Krankheit. Dabei bilden sich grobknotige Entzündungen an den kleinen oder mittelgrossen Blutgefässen. Die Vaskulitis zeigt sich zunächst besonders an den Atemwegen, z.B. an der Nase, den Nasennebenhöhlen, der Luftröhre und der Lunge. Später kann die Gefässentzündung auch andere Organe betreffen, etwa die Nieren. Folgende Symptome sind bei einer Granulomatose mit Polyangiitis möglich:
Die mikroskopische Polyangiitis (MPA) ist vom Krankheitsbild her ähnlich der Granulomatose mit Polyangiitis. Am häufigsten kommt es bei der mikroskopischen Polyangiitis zu Nierenschäden, aber auch zum Lungenbefall. Auch eine Beteiligung des Nervensystems ist häufig möglich.
Die Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis hiess früher auch Churg-Strauss-Vaskulitis. Die Gefässentzündung betrifft meist die Atemwege. Im Blut und entzündeten Gewebe lassen sich spezielle weisse Blutkörperchen nachweisen, die sogenannten eosinophilen Granulozyten. Die Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis kann zu folgenden Symptomen führen:
Später sind oft auch andere Organe von der Gefässentzündung betroffen, zum Beispiel das Herz und die Nieren. Aber auch die Nerven können schweren Schaden nehmen, wenn die Erkrankung nicht behandelt wird.
Eine Gefässentzündung kann sich durch sehr vielfältige Symptome äussern, die oft sehr allgemeiner Natur sind und im Rahmen vieler Krankheiten vorkommen können. Daher sind die Beschwerden oft sehr schwer einzuordnen. Dazu kommt, dass die Vaskulitis ein seltenes Krankheitsbild ist. Diese Faktoren machen die Diagnose auch so schwierig.
Meist vergeht viel Zeit, bis wir eine Gefässentzündung diagnostizieren können. Ausserdem ist die Zusammenarbeit von Experten und Expertinnen verschiedener medizinischer Fachrichtungen wichtig für die Diagnose. Der Vorteil eines grossen und spezialisierten Spitals wie des USZ ist, dass viele Spezialisten und Spezialistinnen aus unterschiedlichen Fachrichtungen zur Verfügung stehen um die Diagnose zu stellen und die bestmögliche Therapie festzulegen.
Am Anfang der Untersuchung steht immer das Gespräch zwischen Ihnen und Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt um Ihre Krankengeschichte aufzunehmen (Anamnese). Sie werden nach der Art der Beschwerden befragt, wann sie erstmals aufgetreten sind und wie intensiv sie ausfallen. Auch bestehende Krankheiten, etwa eine Hepatitis, und die Einnahme von Medikamenten können wichtige Hinweise sein. Neben der Anamnese und der körperlichen Untersuchung spielen folgende Methoden bei der Diagnostik der Vaskulitis eine Rolle:
Einer Vaskulitis können sie nicht vorbeugen, denn oft ist unbekannt, warum sich das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen richtet. Auch eine gezielte Früherkennung gibt es bei der Vaskulitis nicht. Vielmehr dauert es aufgrund der vielfältigen, oft allgemeinen Symptome meist lange, bis wir die Gefässentzündung aufspüren. Ratsam ist es, bei Beschwerden, die nicht wieder vergehen oder sich mit der Zeit verstärken, immer ärztlichen Rat einzuholen.
Der Verlauf und die Prognose der Gefässentzündung fallen oft sehr unterschiedlich aus. Eine primäre (eigenständige) Vaskulitis ist nicht heilbar, aber der Verlauf lässt sich oft durch eine frühzeitige Behandlung bremsen und die Entzündung kontrollieren. Dann fällt auch die Prognose günstiger aus. So ist in vielen Fällen ein normaler Alltag möglich.
Allerdings kann die Gefässentzündung nach einiger Zeit wieder aufflammen. Wichtig ist es daher, dass Sie erste Warnzeichen ernst nehmen und zeitnah ärztlichen Rat einholen. Rückfälle können so rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Auch sonst sollten Sie regelmässig mit einer Ärztin oder einem Arzt in Kontakt bleiben, die oder der mit dem facettenreichen Krankheitsbild der Gefässentzündung viel Erfahrung hat.
Die Behandlung der Gefässentzündung hängt von der jeweiligen Form und vom Ausmass der Erkrankung (z.B. der beteiligten Organe) ab. Sie ist zwar nicht heilbar, aber man kann sie behandeln.
Die wichtigste Säule der Therapie sind Medikamente, welche die Aktivität des Immunsystems dämpfen – sogenannte Immunsuppressiva. Häufig eingesetzte Wirkstoffe sind Kortison, Methotrexat und Azathioprin oder Mycophenolat-mofetil oder Cyclophosphamid. Auch die Wirkstoffe Rituximab und Actemra – beides künstlich hergestellte Antikörper die das Immunsystem beeinflussen– können bei bestimmten Formen der Gefässentzündung helfen.