Nebennierenrindenkarzinom

NN-Karzinom

Das Nebennierenrindenkarzinom ist eine gefährliche Krebsart, die sehr selten vorkommt. Meist produzieren die bösartigen Tumoren Hormone, etwa Cortisol oder männliche Geschlechtshormone. Dann verursacht der Nebennierenrindenkrebs verschiedene Symptome und macht sich bemerkbar. Ein hormonell inaktiver Krebs in der Nebennierenrinde zeigt sich meist erst, wenn er eine bestimmte Grösse erreicht hat und schon fortgeschritten ist.

Der Krebs lässt sich zwar mit Medikamenten und anderen Therapien behandeln. Verlauf und Prognose sind entscheidend davon abhängig, in welchem Stadium der Tumor erkannt und behandelt wird (ENSAT Stadium I hat eine relativ gute Prognose, ENSAT Stadium II-IV haben eine zunehmend schlechtere Prognose, siehe auch unter Einteilung in Stadien). Auch im fortgeschrittenen Stadium stehen den Patientinnen und Patienten an unserem hierauf spezialisierten Zentrum verschiedene Therapieoptionen zur Verfügung. Jeder Patientenfall wird individuell in unserem interdisziplinären neuroendokrinen Tumorboard besprochen.

Überblick: Was ist ein Nebennierenrindenkarzinom?

Das Nebennierenrindenkarzinom ist ein besonders seltener, sehr bösartiger Tumor. Er kann von jeder der drei Schichten der Nebennierenrinde ausgehen. Diese Krebsart heisst auch adrenokortikales Karzinom, NN-Karzinom oder NN-Ca.

Das Nebennierenrindenkarzinom kann hormonell aktiv sein und Hormone in die Blutbahn ausschütten. Am häufigsten handelt es sich bei diesen Botenstoffen um Glukokortikoide (Cortisol). Dadurch bildet sich ein sogenanntes Cushing-Syndrom, das beispielsweise mit einer erheblichen Gewichtszunahme, einer typischen Fettverteilung an Brust und Bauch sowie einem Abbau der Muskulatur verknüpft ist. Manche Nebennierenrindenkarzinome setzen dagegen verstärkt männliche Geschlechtshormone (Androgene) frei. Dann entstehen Symptome einer Vermännlichung, zum Beispiel eine tiefe Stimme, eine verstärkte Körperbehaarung oder Akne.

Das Nebennierenrindenkarzinom kann auch hormonell inaktiv sein und keine Botenstoffe produzieren. Dann bleibt es oft lange unentdeckt. Erst wenn der bösartige Tumor wächst und benachbartes Gewebe verdrängt, verursacht es Symptome. So diagnostizieren Ärztinnen und Ärzte den Krebs in der Nebennierenrinde oft erst spät, wenn er weit fortgeschritten ist. Er hat dann die Nebennierenrinde verlassen, ist in benachbartes Gewebe eingedrungen oder hat schon in andere Organe gestreut, also Krebsabsiedelungen oder Fernmetastasten gebildet.

Zur Behandlung kommen eine Operation, das Medikament Mitotane (greift sehr spezifisch die Nebennierenrindenzellen an), eine Bestrahlung sowie die Chemotherapie zum Einsatz.

Nebennierenrindenkarzinom – Häufigkeit und Alter

Das Nebennierenrindenkarzinom ist eine sehr seltene Krebsart. Fachleute schätzen, dass nur etwa ein bis zwei Personen pro eine Million Einwohnerinnen und Einwohnern an diesem bösartigen Tumor erkranken. Er kann prinzipiell in jedem Lebensalter auftreten. Aber es gibt zwei Altersgipfel: Im Kindesalter und zwischen dem vierten und fünften Lebensjahrzehnt. Frauen erkranken etwas häufiger als Männer (etwa anderthalb bis zwei Mal so oft).

Nebennierenrindenkarzinom: Ursachen sind weitgehend unbekannt

Die Ursachen für das Nebennierenkarzinom sind noch unklar. Fachleute vermuten aber, dass das adrenogenitale Syndrom eine Rolle spielen könnte – eine angeborene Störung der Hormonbildung in der Nebennierenrinde. Auch Mutationen eines bestimmten Gens – des p53-Onkogens – haben Forschende bei einem hohen Prozentsatz der Tumoren beobachtet.

Die Nebenniere mit der Nebennierenrinde und dem Nebennierenmark zählt zu den Hormondrüsen des Körpers, die Hormone bilden und freisetzen. Die Nebennierenrinde stellt Steroidhormone her, vor allem Glukokortikoide, Mineralokortikoide und männliche Geschlechtshormone (Androgene). Das Nebennierenmark ist dagegen für die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin zuständig.

Der Krebs kann von allen drei Schichten der Nebennierenrinde ausgehen. Am Anfang jeder Krebserkrankung steht, dass sich eine gutartige in eine bösartige Zelle umwandelt. Die Zellen teilen sich anschliessend ungebremst und vermehren sich.

Symptome: Nebennierenrindenkarzinom verursacht verschiedene Beschwerden

Die Symptome beim Nierenrindenkarzinom hängen davon ab, ob der Tumor Hormone produziert und wie gross er ist. In der Regel sind bösartige Tumoren in der Nebennierenrinde hormonell aktiv, aber nicht immer.

Bei hormonaktiven Tumoren, die Cortisol ausschütten, entwickeln sich oft die Symptome eines Cushing-Syndroms. Vor allem Karzinome in der Zona fasciculata produzieren Cortisol. Mögliche Anzeichen sind:

  • Fettzunahme, besonders am Körperstamm wie Bauch und Brust (Stammfettsucht), im Nacken („Stiernacken“) und im Gesicht (Hamsterbäckchen, Vollmondgesicht)
  • Dünne Arme und Beine aufgrund des Muskelabbaus
  • Rötliche Dehnungsstreifen an Bauch, Hüfte und Achseln – ähnlich den Schwangerschaftsstreifen
  • Blutergüsse, schlechte Wundheilung
  • Hautveränderungen: Akne, dünne Pergamenthaut
  • Vermännlichung, etwa vermehrte Behaarung am Körper und im Gesicht
  • Ausbleibende Menstruation
  • Psychische Veränderungen: Ängstlichkeit, depressive Gedanken,
  • Stimmungsschwankungen
  • Bluthochdruck (Hypertonie)
  • Zuckerkrankheit Diabetes mellitus
  • Knochenschwund (Osteoporose) und dadurch häufigere Knochenbrüche

Produziert der Tumor das Hormon Aldosteron, können sich Symptome eines Conn-Syndroms (Hyperaldosteronismus) einstellen. Ein Nebennierenrindenkrebs, der sich in der der Zona glomerulosa entwickelt, produziert vor allem Aldosteron.

Anzeichen können sein:

  • Bluthochdruck, der dauerhaft erhöht ist und sich schlecht einstellen lässt
  • Kopfschmerzen
  • Schwindel
  • Muskelschwäche, Muskelkrämpfe
  • Starkes Durstgefühl

Ein Nierenrindenkrebs in der Zona reticularis produziert überwiegend Androgene, also männliche Geschlechtshormone. Anzeichen für eine Vermännlichung („Virilisierung“) bei Frauen sind eine tiefere Stimme als sonst, Haarausfall, Glatzenbildung, Akne sowie eine verstärkte Körperbehaarung. Bei Männern kann der umgekehrte Effekt eintreten – die Feminisierung. Östrogenbildende Tumoren lassen die Brüste verstärkt wachsen (Gynäkomastie).

Hormonell inaktive Nierenrindenkarzinome rufen dagegen zunächst keine Symptome hervor und bleiben unbemerkt. Erst wenn sie wachsen und grösser werden, können sie Beschwerden verursachen. Denn der Tumor kann in angrenzende Strukturen einwachsen, Gewebe verdrängen oder in andere Organe streuen und Metastasen bilden. Viele Nebennierenrindenkarzinome sind schon bei der Diagnose mehr als acht Zentimeter gross. Und bei rund 30 Prozent der Betroffenen sind bereits Metastasen nachweisbar.

Folgende, meist sehr unspezifische Symptome können auftreten:

  • Druckgefühl und Schmerzen im Oberbauch
  • Müdigkeit, Abgeschlagenheit
  • Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit
  • Ungewollter Gewichtsverlust
  • Übelkeit, Brechreiz

Nebennierenrindenkarzinom: Diagnose bei uns

Die Diagnose eines Nebennierenrindenkarzinoms beginnt immer mit dem Erfassen Ihrer Krankheitsgeschichte (Anamnese). Dabei spielen folgende Fragen eine besondere Rolle:

  • Welche Symptome haben Sie und seit wann?
  • Wie ausgeprägt sind sie?
  • Haben Sie optische Veränderungen an sich festgestellt?
  • Haben Sie in der Vergangenheit stark an Gewicht zugenommen?
  • Sind Grunderkrankungen bei Ihnen bekannt?
  • Nehmen Sie Medikamente ein? Falls ja: Welche und seit wann?

Wir untersuchen Sie anschliessend körperlich. Wir tasten zum Beispiel den Bauch ab und prüfen die Grösse und Lage von Organen. Zudem begutachten wir den Körperbau, die Fettverteilung, Muskulatur sowie die Haut. Zudem achten wir auf eventuelle Anzeichen einer Vermännlichung. Eine Blutdruckmessung zeigt, wie gut Ihre Blutdruckwerte sind. Dann folgen weitere Untersuchungen:

  • Hormondiagnostik: Bestimmung verschiedener Hormone im Blut und im 24-h-Sammelurin. Diese Untersuchung kann einen Überschuss an Cortisol, Androgenen (männlichen Hormonen) oder Aldosteron zeigen.
  • Computertomografie (CT) mit Kontrastmittel
  • Magnetresonanztomografie (MRT = Kernspintomografie)
  • Positronenemissionstomografie (PET), kombiniert mit einer CT: Dabei setzen Nuklearmedizinerinnen und -mediziner schwach radioaktive Substanzen ein (Tracer); bei der Diagnostik des Nebennierenrindenkarzinoms kommt oft FDG (F-18 Desoxyglukose) zum Einsatz – ein mit radioaktivem Fluor markiertes Zuckermolekül. Hormonproduzierende Tumoren lassen sich so gut nachweisen.
  • Biopsie

Auch die Grösse des Tumors kann Hinweise darauf liefern, ob er gut- oder bösartig ist. Kleinere Tumoren unter vier Zentimetern sind häufiger gutartig. Bei einer Grösse von mehr als acht Zentimetern ist jedoch die Wahrscheinlichkeit für einen Nebennierenrindenkrebs erhöht. Viele Karzinome der Nebennierenrinde sind schon bei der Diagnose grösser als acht Zentimeter.  Und bei rund 30 Prozent der Betroffenen sind bereits Metastasen nachweisbar.

Nebennierenrindenkarzinom: Einteilung in Stadien

Ärztinnen und Ärzte teilen Tumoren je nach Ausdehnung in verschiedene Stadien ein. Davon hängen auch die Behandlung und die Prognose ab. Beim Nebennierenrindenkarzinom verwenden sie die Klassifikation des European Network for the Study oft Adrenal Tumors (ENSAT) zur Stadieneinteilung.

  • Stadium I: Der Tumor ist noch auf die Nebennierenrinde begrenzt und misst weniger als fünf Zentimeter.
  • Stadium II: Der Tumor ist grösser als fünf Zentimeter, aber noch auf die Nebennierenrinde begrenzt.
  • Stadium III: Der Tumor hat die Kapsel des Organs verlassen, es sind Lymphknotenmetastasen vorhanden, der Tumor ist in die Umgebung eingewachsen oder hat Blutgerinnsel in bestimmten Gefässen (Hohlvene, Vena cava) verursacht.
  • Stadium IV: Es sind Fernmetastasen in anderen Organen nachweisbar, meist in der Lunge oder Leber.

Nebennierenrindenkarzinom: Vorbeugen, Früherkennung, Prognose

Einem Nebennierenrindenkarzinom können Sie nicht vorbeugen, weil die Ursachen nicht genau bekannt sind. Auch kennen Ärztinnen und Ärzte keine Risikofaktoren, die einen bösartigen Tumor in der Nebennierenrinde begünstigen würden. Spezielle Massnahmen zur Früherkennung gibt es ebenfalls nicht. Gehen Sie immer umgehend zu Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, wenn Sie ungewöhnliche Symptome bei sich feststellen, zum Beispiel ein erhöhtes Körpergewicht, Änderungen der Fettverteilung oder Anzeichen einer Vermännlichung.

Verlauf und Prognose bei einem Nebennierenrindenkarzinom

Der Verlauf und die Prognose bei einem Nebennierenrindenkarzinom sind abhängig vom Tumorstadium. Viele Tumoren sind schon bei der Entdeckung grösser als 5 cm und der Krebs ist weiter fortgeschritten (ENSAT Stadium II-IV). So finden wir schon bei der Erstdiagnose bei ungefähr 30 Prozent der Betroffenen Metastasen. Dann verschlechtert sich – wie bei den meisten Krebsarten – statistisch die Prognose.

Auch im Verlauf der Erkrankung kann der Tumor noch streuen und Krebsabsiedlungen bilden – das gilt selbst dann, wenn wir ihn im Rahmen einer Operation scheinbar vollständig entfernt haben. Betroffen sein können die benachbarten Lymphknoten, Leber, Lunge und seltener die Knochen. Aus diesem Grund ist auch nach vollständiger Entfernung des Tumors eine engmaschige Nachsorge sehr wichtig, um ein Rezidiv des Tumors oder Metastasen frühzeitig zu erkennen und behandeln zu können. Diese Nachsorge besteht aus klinischen, laborchemischen und bildgebenden Kontrollen alle drei Monate über zwei Jahre, anschließend alle sechs Monate über drei Jahre und dann weiteren im neuroendokrinen Tumorboard individuell festgelegten Nachsorgeuntersuchungen.

Allerdings variieren Verlauf und Prognose individuell trotz gleichen Tumorstadiums unter Umständen beträchtlich – auch in Abhängigkeit von der Behandlung und Nachsorge.

Daher sollten alle Patientinnen und Patienten mit Nebennierenkarzinom an ein spezialisiertes Zentrum wie unseres angebunden werden, wo jeder Patientenfall interdisziplinär im neuroendokrinen Tumorboard diskutiert wird, um die optimalen Diagnostik-, Behandlungs- und Nachsorgestrategien individuell festzulegen.

Nebennierenrindenkarzinom: Behandlung mit mehreren Strategien

An der Behandlung des Nebennierenrindenkarzinoms sind immer Ärztinnen und Ärzte mehrerer Disziplinen beteiligt (Onkologie, Endokrinologie (Hormonspezialisten), Radio-Onkologie, Nuklearmedizin, diagnostische und interventionelle Radiologie, Chirurgie, Gastroenterologie, Pathologie, Psychoonkologie und Palliativmedizin). All diese Disziplinen entscheiden in unserem neuroendokrinen Tumorboard gemeinsam über die bestmöglichen Behandlungsstrategien für jede Patientin und jeden Patienten. Es gibt mehrere Behandlungsmöglichkeiten.

Bei einem operativen Eingriff wird vom Institut für Anästhesiologie das individuell auf Sie angepasste Anästhesie-Verfahren ausgewählt.