Pseudarthrose

Die Pseudarthrose ist ein falsches Gelenk. Es kann sich ausbilden, wenn ein Knochenbruch nicht richtig heilt und sich der Bruch-spalt nicht wieder verschliesst. Vorkommen kann die Pseudarthrose sowohl nach einer konservativen Behandlung des Knochenbruchs (ohne OP) als auch nach einem chirurgischen Eingriff. Besonders anfällig für Pseudarthrosen sind die langen Röhrenknochen, etwa am Oberschenkel, Schienbein oder Oberarm. Lesen Sie, welche Symptome die Falschgelenke verursachen und wie Ärztinnen und Ärzte das Falschgelenk behandeln.

Überblick: Was ist eine Pseudarthrose?

Bei einer Pseudarthrose bildet sich ein falsches Gelenk aus. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und setzt sich so zusammen: „pseudos“ bedeutet „falsch“ und „arthros“ steht für „Gelenk“. Auch wenn der Name diese vermuten lässt: Mit einer Arthrose – dem meist altersbedingten Gelenkverschleiss – hat die Pseudarthrose nichts zu tun.

Die Pseudoarthrose entsteht immer auf der Basis eines Knochenbruchs, der nicht richtig verheilt. Oft sind Durchblutungsstörungen schuld, die die Knochenheilung stören. Auch eine zu frühe Belastung, Infektionen und Entzündungen kommen als Ursachen in Frage. Der gebrochene Knochen wächst dann falsch zusammen und es entsteht ein Falschgelenk.

Die Pseudarthrose kann verschiedene Knochen betreffen. Oft entwickelt sich das Falschgelenk an den langen Röhrenknochen, etwa dem Oberschenkel, Schienbein oder Oberarm. Die Pseudarthrose macht sich durch Schmerzen, Instabilität und Einschränkungen der Beweglichkeit bemerkbar. Wenn zusätzlich Entzündungsprozesse ablaufen, kommen Rötung und Überwärmung der betroffenen Körperregion hinzu.

Die Behandlung der Pseudarthrose ist oft langwierig und erfordert einige Geduld – von Arzt und Ärztin sowie von Patientin und Patient. Oft zieht sich die Therapie über viele Monate hin, bis sie ausreichenden Erfolg zeigt. In Frage kommen verschiedene Therapien, etwa Substanzen, die den Knochenaufbau stimulieren, oder eine Operation.

Pseudarthrose – Häufigkeit und Alter

Pseudarthrosen sind keine Seltenheit. Grosse Studien haben gezeigt, dass Pseudarthrosen mit einem Prozentsatz von 3- 10 Prozentnach einem Knochenbruch vorkommen können, und zwar sowohl nach konservativer (ohne Operation) als auch operativer Therapie eines Knochenbruchs. Eine Pseudarthrose kann prinzipiell in jedem Alter vorkommen und Männer und Frauen betreffen. Mit zunehmenden Lebensjahren heilen jedoch Knochenbrüche oft schlechter.

Pseudarthrose: Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursache der Pseudoarthrose ist ein Knochenbruch, der nicht richtig verheilt. Besonders anfällig dafür sind die langen Röhrenknochen von Oberschenkel, Schienbein, Oberarm sowie Elle/Speiche. Aber auch das Kahnbein – der grösste Handwurzelknochen – kann betroffen sein.

Für den Heilungsprozess eines Knochens ist es entscheidend, dass er ausreichend mit Blut – und damit mit Sauerstoff und Nährstoffen – versorgt wird. Wenn ein Knochen bricht, werden jedoch oft zusätzlich das umliegende Gewebe, die Knochenhaut und Gefässe geschädigt. Es kommt zu Durchblutungsstörungen, welche die Knochenheilung beeinträchtigen können.

Weitere Ursachen und Risikofaktoren der Pseudarthrose sind:

  • Der Knochenbruch wurde nicht ausreichend stabilisiert und komprimiert. Dann können sich die Bruchteile gegeneinander verschieben.
  • Eine zu frühe oder übermässige Belastung einer Knochenbruchregion. Im Bereich des Bruchs bildet sich übermässig viel neuer, „falscher“ Knochen.
  • Weichteile, die in den Spalt des Knochenbruchs geraten sind.
  • Offene Brüche, bei denen die Haut mitverletzt ist. Solche Brüche können sich leichter infizieren. Dann dringen Bakterien und andere Keime über die Haut ein, lösen Entzündungen am Knochen aus und beeinträchtigen die Knochenheilung. Diese Situation wird als „Infektpseudarthrose“ bezeichnet. Infektionen können auch nach einer Operation auftreten.
  • höheres Lebensalter – die Stoffwechselaktivität sinkt ganz allgemein mit zunehmenden Lebensjahren, auch ein Knochenbruch verheilt dadurch schlechter
  • Rauchen –vermindert die Durchblutung und stört die Knochenheilung. So haben zum Beispiel Menschen mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK, Raucherbein, Schaufensterkrankheit) ein erhöhtes Risiko.
  • hoher Alkoholkonsum
  • Zuckerkrankheit Diabetes mellitus – die Durchblutung und die Knochenheilung können vermindert sein
  • Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) – sie gehen mit einer erhöhten Entzündungsaktivität einher
  • Schilddrüsenerkrankungen
  • Medikamente wie Kortison (entzündungshemmendes Mittel), Diclofenac (Schmerzmittel) oder Zytostatika (Medikamente bei Krebs = Chemotherapie)
  • Strahlenbelastung

Durch diese Risikofaktoren steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Knochenbruch nicht richtig ausheilt.

Symptome: Pseudarthrose ist oft schmerzhaft

Eine Pseudarthrose kann sich durch verschiedene Symptome bemerkbar machen. Meist entwickeln sich die Beschwerden schleichend. Folgende Anzeichen deuten darauf hin, dass sich ein Falschgelenk gebildet hat:

  • Schmerzen – typisch ist die bewegungsabhänige und belastungsabhängige Schmerzsymptomatik
  • eingeschränkte Beweglichkeit
  • Instabilität des Knochens
  • übermässig beweglicher Knochen (Hypermobilität)
  • Fehlstellungen
  • Funktionseinbussen
  • Schwellung
  • Rötung
  • Überwärmung

Suchen Sie immer Ihre behandelnde Ärztin oder Ihren behandelnden Arzt auf, wenn Sie solche Symptome bei sich wahrnehmen.

Knochenbruch: Wie lange dauert die Heilung?

Das menschliche Knochengewebe kann sich vollständig regenerieren, wenn der Knochenbruch durch Ruhigstellung, z.B mit  einem Gips oder einer Schiene therapiert wird  oder im Rahmen einer Operation mit Hilfe von Implantaten, wie Nägeln, Schrauben, Drähten oder Platten (Osteosynthese) wieder zusammenfügt wird. Die meisten Knochenbrüche heilen innerhalb von sechs bis acht Wochen wieder vollständig aus und es gibt anschliessend keine Einbussen der Funktion. Bei komplizierten Brüchen oder ungünstigen Bruchorten kann die Heilung auch länger dauern.

Nicht bei jedem langsam heilenden Knochen handelt es sich um eine Pseudarthrose. Folgende Definitionen haben Mediziner zur Unterscheidung festgelegt:

  • Eine verzögerte Knochenheilung liegt vor, wenn der Knochen nach vier bis sechs Monaten noch nicht verheilt ist.
  • Von einer Pseudarthrose sprechen Ärztinnen und Ärzte jedoch erst, wenn der Knochen sechs Monate nach dem Bruch noch nicht geschlossen ist.

Pseudarthrose: Diagnose bei uns

Die Diagnose der Pseudarthrose beginnt immer mit dem Gespräch zur vorausgegangenen Krankengeschichte. Die behandelnde Ärztin oder Arzt befragen Sie unter anderem zu Ihrem Knochenbruch, der Heilungsgeschwindigkeit, vorherigen und derzeitigen Behandlungen sowie der Art und Intensität der Symptome. Dazu gehören zum Beispiel Schmerzen, eingeschränkte Beweglichkeit oder Anzeichen für eine Entzündung (Schwellungen, Rötungen). Auch bestehende Vorerkrankungen spielen eine Rolle, zum Beispiel die Zuckerkrankheit Diabetes mellitus oder Durchblutungsstörungen, etwa im Rahmen einer pAVK.

Es schliesst sich eine körperliche Untersuchung an, bei der der Arzt oder die Ärztin den Körper abtastet, nach optischen Auffälligkeiten sucht und die Beweglichkeit testet.

Bei einer Pseudarthrose stützen sich Ärztinnen und Ärzte zur Diagnose zudem auf bildgebende Verfahren. Sie zeigen meist gut, ob und wie weit der Knochenbruch verheilt ist und ob sich ein Pseudogelenk ausgebildet hat. Folgende Methoden kommen zum Einsatz:

  • Röntgenuntersuchung – Knochenbrüche lassen sich mit Hilfe von Röntgenstrahlung gut sichtbar machen
  • Computertomografie (CT) – eine Methode, die mit Röntgenstrahlen arbeitet und Schnittbilder aus dem Körperinneren liefert
  • Ultraschalluntersuchung – zum Einsatz kommen Schallwellen
  • Magnetresonanztomografie (MRT = Kernspintomografie) – sie funktioniert mit starken Magnetwellen und liefert ebenfalls detaillierte Schnittbilder

Pseudarthrose: Einteilung

Die Pseudarthrose können Ärzte und Ärztinnen anhand verschiedener Kriterien in folgende Kategorien einteilen:

  • Vitale (hypertrophe) Pseudarthrose: Das Knochen- und Knorpelgewebe ist vermehrt und gut durchblutet – der Bruch ist zwar instabil, aber das Gewebe ist intakt und wird mit ausreichend Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Die vitale Pseudarthrose kommt häufiger vor als die avitale Variante.
  • Avitale (atrophe) Pseudarthrose: Das Knochen- und Knorpelgewebe ist vermindert und nicht ausreichend durchblutet – die schlechte Versorgung des Gewebes schlägt sich in einer verringerten Knochenstruktur nieder.

Nach der Art der Pseudarthrose richtet sich auch die Behandlung. Je früher sie beginnt, desto besser ist es für die Knochenheilung.

Pseudarthrose: Vorbeugen, Früherkennung, Prognose

Die Pseudarthrose kann verschiedene Ursachen haben. Manche davon können Sie beeinflussen, andere – wie etwa Ihr Lebensalter – nicht. Einige Tipps, mit denen Sie einer Pseudarthrose bis zu einem gewissen Mass vorbeugen können:

  • Rauchen Sie nicht – dies kann die Wund- und Knochenheilung stören. Und wenn Sie Raucher sind: Versuchen Sie den Rauchstopp.
  • Lassen Sie einem Knochenbruch ausreichend Zeit zum Ausheilen und schonen Sie sich. Mobilisieren und belasten Sie den betroffenen Knochen nicht zu früh. Halten Sie sich am besten an alle Therapieempfehlungen Ihrer Ärztin oder Ihres Arztes.
  • Lassen Sie Durchblutungsstörungen ausreichend behandeln. Gleiches gilt für einen Diabetes mellitus – achten Sie auf gut eingestellte Blutzuckerwerte.
  • Am besten ist es natürlich, wenn Sie sich gleich vor einem Knochenbruch schützen: Tragen Sie zum Beispiel entsprechende Schutzkleidung, wenn Sie riskante Sportarten ausüben oder im Beruf eine Knochenbruchgefahr besteht.

Besondere Massnahmen zur Früherkennung einer Pseudarthrose in der Arztpraxis gibt es noch nicht. Allerdings forschen Wissenschaftler an verschiedenen Möglichkeiten, um eine fehlerhafte Knochenheilung rasch zu erkennen. Einige Beispiele:

  • Intelligente Implantate: Wenn Ärzte und Ärztinnen einen Knochenbruch operieren, könnten zukünftig schlaue Implantate wie Nägel, Schrauben, Drähten oder Platten zum Einsatz kommen. Sie sind mit Mikroelektronik ausgerüstet und lassen Rückschlüsse auf den Verlauf der Knochenheilung zu.
  • Bluttest, der die Anfälligkeit für eine Pseudoarthrose vorhersagen soll. Dann könnten Ärzte schon beim Knochenbruch entsprechende Vorsichtsmassnahmen ergreifen.
  • Auch Gewebeproben, die Ärztinnen und Ärzte im Labor untersuchen, könnten zukünftig Aufschluss über das Risiko einer Pseudarthrose und die Heilungschancen bei einem Knochenbruch geben.

Ansonsten gilt allgemein: Lassen Sie einen Knochenbruch häufiger von Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin kontrollieren. Er oder sie kann erkennen, ob er so heilt, wie er soll. Suchen Sie ausserdem immer Ihre Ärztin oder Ihren Arzt auf, wenn Sie Symptome verspüren, etwa Schmerzen, Schwellungen oder Rötungen. Es können Infektionen und Entzündungen dahinter stecken.

Verlauf und Prognose bei Pseudarthrose

Der Verlauf und die Prognose bei einer Pseudarthrose sind umso günstiger, je früher das Pseudogelenk entdeckt und behandelt wird. Die Therapie ist jedoch oft langwierig und verlangt Ärzten und Ärztinnen sowie Patientinnen und Patienten einiges ab. Sie müssen also am Ball bleiben und Geduld und Ausdauer mitbringen.

Auch die Art der Pseudarthrose spielt eine Rolle für den Verlauf und die Prognose. So sind die Heilungschancen bei einer vitalen Pseudarthrose meist gut und die Therapie fällt weniger intensiv aus. Bei einer avitalen Pseudarthrose ist die Behandlung schwieriger und dauert meist länger.

Pseudarthrose: Behandlung je nach Art des Falschgelenks

Die Behandlung richtet sich danach, welche Art der Pseudarthrose vorliegt. Auch die Ursachen spielen eine Rolle bei der Therapiewahl.

In der Klinik für Traumatologie am USZ stehen Spezialistinnen und Spezialisten für betroffene Personen mit einer Pseudarthrose bereit, die eine genaue Untersuchung und Diagnosestellung durchführen und einen individuellen Therapieplan zusammen mit den Patientinnen und Patienten aufstellen.

Bei einem operativen Eingriff wird vom Institut für Anästhesiologie das individuell auf Sie angepasste Anästhesie-Verfahren ausgewählt.