Schwindel

Vertigo

Nahezu jeder Mensch hat schon einmal in irgendeiner Situation das Gefühl des Schwindels erlebt. Über Unsicherheitsgefühle wie Drehen, Schwanken, Fallen oder Benommenheit klagt beim Hausarzt etwa jeder 13. Patient. Meist ist Schwindel (Vertigo) keine Folge einer ernsthaften Erkrankung.

Bei genauem Hinsehen lässt sich oft eine Ursache feststellen und behandeln, in vielen Fällen verschwindet der Schwindel auch wieder von allein. Schwindel an sich ist ein Symptom, es geht darum, den Auslöser zu finden. Dieser kann auf der körperlichen oder der psychischen Ebene liegen. Jeder Schwindel muss daher individuell betrachtet und therapiert werden.

Überblick: Was ist Schwindel

Schwindel ist ein zutiefst verunsicherndes Gefühl, für die Betroffenen wankt im Liegen oder Stehen alles. Sie meinen zu fallen oder sich nicht sicher auf den Beinen halten zu können. Entweder haben sie die Empfindung, dass sie selbst sich drehen und schwanken oder aber, dass die Umgebung um sie herum sich dreht. Medizinisch wird unterschieden zwischen dem

  • vestibulären und
  • nicht-vestibulären psychogenen Schwindel.

Alle Schwindelarten, die mit dem Gleichgewichtssystem zusammenhängen, werden als vestibuläre Schwindelformen bezeichnet. Damit wir uns sicher im Raum bewegen können, müssen unsere Sinnessysteme, unsere Gelenke und Muskeln und unser Gehirn reibungslos zusammenarbeiten. Das Gleichgewicht halten kann unser Körper dank unterschiedlicher Informationen, die er von verschiedenen Stellen sammelt und im Gleichgewichtszentrum, das im Hirnstamm sitzt, verarbeitet. Impulse liefern:

  • das Sehen – optisches System,
  • das Gleichgewichtsorgan im Innenohr und
  • der Tast- und Tiefensinn der Gliedmassen.

In den Übermittlungsketten können eine ganze Reihe von Funktionsstörungen auftreten. Sehstörungen oder eine neue Brille sorgen beispielsweise für widersprüchliche Informationen an das Gleichgewichtszentrum, was dann vestibuläre Schwindelsymptome verursachen kann. Ablagerungen in den Bogengängen des Innenohrs bewirken Irritationen und melden Sinneswahrnehmungen, die nicht zu den Informationen passen, die gleichzeitig von den Augen geliefert werden.

Sind körperliche Störungen oder Erkrankungen die Schwindelursache, dann fallen sie unter den Oberbegriff nicht-vestibuläre Schwindelarten. Bei der Anamnese von Schwindelbeschwerden müssen unbedingt alle körperlichen Ursachen ausgeschlossen werden. Nicht-vestibuläre Schwindelformen können hervorgerufen werden durch unterschiedliche körperliche Erkrankungen, Veränderungen des Herz-Kreislaufsystems, durch Diabetes oder Nervenerkrankungen.

Liegen psychische Ursachen den Schwindelerscheinungen zugrunde, dann spricht man vom psychogenen, somatoformen oder phobischen Schwindel. Rund 60 Prozent der Schwindelarten im hausärztlichen Bereich fallen in den Bereich psychogener Schwindel. Er tritt in Zusammenhang mit seelischen Belastungs- oder Konfliktsituationen auf.

Schwindel: Ursachen und Risikofaktoren

Schwindel kann eine ganze Reihe von Ursachen haben. Es können vorliegen:

  • körperliche Störungen oder Erkrankungen
  • psychische Gründe, seelische Zustände
  • Nebenwirkungen von Alkohol oder Medikamenten
  • Altersbegleiterscheinungen

Auch Tätigkeiten wie Tanzen mit vielen Drehungen, Karussell fahren, Balancieren im Kletterwald, Besteigen eines hohen Turmes, Reisen mit Schiff oder Flugzeug oder ganz einfach plötzliches Aufstehen können Schwindelgefühle verursachen, die jedoch rasch wieder von allein vergehen.

Schwindel – Körperliche Störungen und Erkrankungen

Wenn Sie bei sich Schwindelgefühle beobachten, die Sie in ihrer Häufigkeit und Dauer vielleicht beunruhigen und die Sie sich nicht direkt erklären können, dann sollten Sie zur Abklärung der Symptome zum Arzt oder ins Spital gehen. Schwindel kann durchaus harmlos sein und nach einiger Zeit von allein wieder vergehen, er kann aber auch Anzeichen einer ernsthaften Erkrankung sein und das sollte man sicherheitshalber untersuchen lassen. Diese Erkrankungen oder körperlichen Störungen können mit Schwindel einhergehen:

  • zu hoher oder zu niedriger Blutdruck
  • Hirnschlag oder Schlaganfall, Tumore, Blutungen in Hirn
  • Verspannungen des Nackens und der Halswirbelsäule
  • Augenerkrankungen mit visuellen Wahrnehmungsstörungen
  • Innenohrentzündung, Hörsturz, Morbus Menière
  • Entzündung des Gleichgewichtsnerven
  • Migräne
  • Unterzuckerung, Blutarmut
  • Flüssigkeitsmangel
  • Demenz, Parkinson

Schwindelgefühle verunsichern und können Sie in Ihrem Alltag und Bewegungsradius stark einschränken und behindern. Das Gefühl, nicht mehr sicher stehen oder gehen zu können, sorgt für Rückzug aus dem sozialen Leben. Nicht immer muss eine ernsthafte Erkrankung dahinterstecken. Sollte der Schwindel aber ganz plötzlich einsetzen, dann ist es ratsam, das nächste Spital aufzusuchen. Bei einem Schlaganfall oder einer Hirnblutung ist rasches Handeln oberstes Gebot und kann Leben retten. Gehen Sie deshalb zum Arzt, wenn Sie plötzlich Schwindelgefühle haben mit

  • Seh- oder Hörstörungen.
  • Kopfschmerzen,
  • Übelkeit und Benommenheit.

Schwindel – Lagerungsschwindel

Zu den körperlichen Ursachen für Schwindelanfälle gehört am häufigsten der gutartige Lagerungsschwindel. Man nimmt an, dass er durch winzige Steinchen, Ablagerungen, in den Gehörgängen des Innenohres verursacht wird. Wenn der Betroffene nun den Kopf bewegt, kullern die Steinchen im Bogengang herum und irritieren die Sinneszellen, was dann das Schwindelgefühl auslöst. Von 100 Menschen bekommen im Schnitt zwei im Laufe ihres Lebens diesen gutartigen Lagerungsschwindel, der in der Regel nach einer gewissen Zeit von allein wieder verschwindet.

Schwindel – multifaktorieller Schwindel bei alten Menschen

Mit zunehmendem Lebensalter verändert sich die Sehkraft, das Gehör wird schwächer, Muskelkraft und Koordinationsfähigkeit werden geringer, die Nervenempfindlichkeit nimmt ab. Sinne und Motorik tragen im Zusammenspiel dazu bei, dass der Körper das Gleichgewicht halten kann. Eine schlechtere Reizverarbeitung und geringere Reaktionsfähigkeit können bei älteren Menschen Unsicherheits- und Schwindelgefühle begünstigen. Auch typische Altersbegleiterscheinungen wie Herz-Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes, Stoffwechselstörungen und Parkinson können das Gleichgewichtssystem einschränken. Als Folge von Schwindelgefühlen und Unsicherheit stürzen ältere Menschen schneller. Mit gezielten Gleichgewichtsübungen und körperlicher Fitness kann man hier erfolgreich gegensteuern.

Schwindel – psychische Gründe

Wenn ein Schwindel psychische Ursachen hat, dann spricht man vom psychogenen Schwindel oder phobischen Schwindel. Seelische Belastungen, berufliche Probleme oder ungelöste (familiäre) Konflikte können ihn hervorrufen. Für die Betroffenen ist er meist mit grossem Leidensdruck verbunden. Mit dieser Form des Schwindels müssen Sie nicht leben, wenden Sie sich an einen Facharzt und schildern Ihre Symptome. Mit therapeutischer Hilfe und/oder Medikamentengabe kann der psychogene Schwindel gut behandelt werden.

Schwindel – Risikofaktoren Alkohol und Medikamente

Hoher Alkoholkonsum kann dazu führen, dass die Kontrolle über Bewegungsabläufe schwindet und das Gleichgewichtsgefühl der Betroffenen gestört ist. Der Schwindel tritt entweder akut während des Rausches auf oder als Langzeitfolge des chronischen Konsums. Wenn der oben beschriebene psychogene Angstschwindel mit Alkohol bekämpft wird, dann hat man vielleicht kurzfristig eine subjektive Verbesserung erreicht, langfristig jedoch einen fatalen Kreislauf in Gang gesetzt. Je früher Sie hier für sich selbst oder einen Angehörigen medizinische Hilfe suchen, desto besser.

Gerade ältere Menschen nehmen oft eine ganze Reihe von Medikamenten zu sich. Manche Medikamente können als Nebenwirkung Schwindelgefühle hervorrufen, manchmal führt auch erst die Kombination unterschiedlicher Präparate zu Schwindelanfällen. Gehen Sie mit Ihrem Arzt oder Apotheker Ihre Medikamentenliste durch und lassen Sie die Wechselwirkungen prüfen.

Symptome: Schwindel

Mögliche Begleitsymptome von Schwindelgefühlen können sein:

  • Sehstörungen
  • Tinnitus
  • Herzbeschwerden
  • Atembeschwerden
  • Gefühlsstörungen in den Gliedmassen
  • Schwitzen, Blässe, Übelkeit

Die Betroffenen klagen über Dreh- und Schwankgefühle, Unsicherheiten beim Gehen oder Stehen, das Gefühl, ohnmächtig zu werden. Aus Angst, dass die Schwindelgefühle bei Bewegung stärker und möglicherweise unkontrollierbar werden, vermeiden die Betroffenen körperliche Aktivitäten. Schwindel kann sich ganz unterschiedlich äussern. Mediziner sprechen auch von einem multisensorischen Syndrom. Schwindelbeschwerden lassen sich in unterschiedliche Erscheinungsformen einteilen:

  • Dreh- und Schwankschwindel
  • Fallschwindel
  • Benommenheitsschwindel
  • Lagerungsschwindel

Die Anfälle können plötzlich kommen und nur Sekunden dauern, aber auch als Dauerschwindel über Stunden, Tage oder Wochen anhalten.

Schwindel – Diagnose beim Arzt

Wenn Sie unter Schwindelbeschwerden leiden, sollten Sie einen Arzt aufsuchen. Denn nur er kann durch sorgfältige Diagnose abklären, welche Form von Erkrankung dahintersteckt. Im Gespräch mit dem Arzt müssen Sie die Art Ihres Schwindels genauer beschreiben (Anemnese):

  • Wie äussert sich der Schwindel? Drehen, Schwanken, Fallen, Benommenheit?
  • Wie lange hält er an? Sekunden, Minuten? Stunden, Tage, Wochen? Längere Zeiträume?
  • Was verstärkt ihn? Bestimmte Bewegungen, plötzliches Aufrichten? Kopfschmerzen? Bestimmte Situationen? Medikamenteneinnahme?
  • Welche Begleiterscheinungen beobachten Sie? Lichtempfindlichkeit, Sehstörungen, Hörstörungen? Übelkeit? Nackenbeschwerden? Angst? Drohende Ohnmacht?

Aus den gesammelten Informationen kann der Arzt erste Hinweise erhalten. An diese Befragung schliesst sich die körperliche Untersuchung an. Geprüft werden Blutdruck und Puls, Halswirbelsäule und Bewegungsmuster, Augen und Ohren, Gehirn und Nervensystem, Koordination und Gangsicherheit.

Bei plötzlich auftretenden Schwindelattacken sollten Sie sicherheitshalber ins Spital gehen. Sonst ist der Hausarzt die erste Anlaufstelle. Er wird Sie, wenn notwendig, an entsprechende Fachärzte zur weiteren Untersuchung verweisen. Für ältere Menschen kann es sinnvoll sein, sich an einen Geriater zu wenden, einen Mediziner, der speziell für die Erkrankungen älterer Menschen ausgebildet ist. Im Universitätsspital Zürich gibt es ein Schwindelzentrum, an das Sie sich wenden können.

Mehr zum Schwindelzentrum

Schwindel – Behandlung, Therapie

Bei allen Formen von Schwindelgefühlen ist es wichtig, die genaue Ursache herauszufinden. Da Schwindel ein Symptom ist, das auf eine körperliche oder psychische Störung hinweist, ist die genaue und individuelle Diagnostik wichtig. Wenn dann feststeht, was die Schwindelgefühle hervorruft, lässt sich auch gut gegensteuern. Gut die Hälfte der Betroffenen hat eine körperliche oder organische Störung, die vom entsprechenden Facharzt behandelt werden muss. Bei der anderen Hälfte kommen als Ursache meist in Betracht:

  • Altersschwindel
  • psychogener Schwindel
  • Lagerungsschwindel

Altersschwindel

Wichtig für die Arzt-Patienten-Beziehung ist, dass die Betroffenen sich mit ihren Ängsten und Unsicherheitsgefühlen ernst genommen fühlen. Dem Altersschwindel kann man gut mit entsprechender Physiotherapie und Gleichgewichtstraining begegnen. Bewegung ist hier in jedem Fall besser als Ruhe. Aktiv zu bleiben verbessert die Durchblutung, hält Muskeln und Gelenke fit und schult die Koordinationsfähigkeit.

Psychogener Schwindel

Psychotherapie und eventuell für ein gewisse Zeit angstlösende Medikamente können der richtige Weg bei psychogenem Schwindel sein. Vertrauen Sie als Betroffener darauf, dass Sie die Schwindelgefühle mit der Zeit in den Griff bekommen können. Holen Sie sich therapeutische Unterstützung, um den Situationen besser begegnen zu können, in denen Ihnen „schwindelig“ wird. Auch wenn die Schwindelgefühle im Moment nicht einfach auszuhalten sind, stellen Sie sich dem Alltag und lernen Sie, mit Konflikten anders umzugehen.

Lagerungsschwindel

Bei einem gutartigen Lagerungsschwindel sind gymnastische Übungen sinnvoll. In umfangreichen Studien hat man festgestellt, dass verschiedene Lagerungstechniken gut helfen können. Beim Arzt bekommen Sie diese Dreh-, Haltungs- und Lagerungsübungen genau gezeigt. Bis zum Abklingen der Beschwerden sollten Sie sie dann regelmässig zu Hause durchführen. In der Regel sind Ihre Beschwerden nach etwa einer Woche verschwunden.

Medikamente bei Schwindel

Manchmal helfen für kurze Zeit auch Medikamente, sogenannte Antivertiginosa, welche die mit dem Schwindel einhergehende Übelkeit dämpfen. Zur Therapie von Schwindelbeschwerden sind ausserdem auf dem Markt zahlreiche pflanzliche Mittel erhältlich, ob und wie weit sie wirksam sind, konnte bisher in Studien nicht umfassend belegt werden.

Wenn Sie dem Arzt Ihre Beschwerden möglichst detailliert schildern, hat er die besten Anhaltspunkte, um die Ursache Ihrer Schwindelattacken einzugrenzen und herauszufinden. Grundsätzlich lassen Schwindelgefühle sich mit der entsprechenden Therapie gut behandeln. Wichtig im ganzen Prozess ist aber auch Ihre Geduld, bleiben Sie zuversichtlich, oft vergeht der Schwindel von allein wieder.